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(file: @@110501_sonntag_interview.pdf@@)REGION Der Sonntag | Nr. 17 | 1. Mai 2011 Seite 46 Er vertraut ganz auf seine Intuition Kaspar Flück beweist mit grossflächigen Arbeiten in der Galerie von Hedy Ernsts Kunstgarten in Aarwangen sein Talent Vor wenigen Tagen wurde er 22 Jahre alt: Kaspar Flück, Solothurner und aus einer Künstlerfamilie stammend. In Aarwangen präsentiert er seine erste grosse Ausstellung. Eine vielversprechende Entdeckung. VON FRÄNZI RÜTTI-SANER lich gut. Beim Betrachten seiner Gemälde, denen er Titel wie «Feuer», «Luft», «Kopf» oder «Regentanz» gibt, spürt man seine Lebendigkeit und das ungestüme Bedürfnis, sich malerisch auszudrücken. BESONDERS SICHTBAR WIRD dies in seinen Blei- und Buntstift-Arbeiten auf Papier im Weltformat. An einem bestimmten Punkt auf dem Blatt fängt er mit dem Zeichnen an. Es entstehen organisch Schraffuren, Linien, Verschnörkelungen. Sie werden zu Tälern, Blättern oder Felsen, ganzen Welten. Hin und wieder sind auch Figuren zu entdecken, über die man staunt, denn eigentlich haben diese hier doch nichts verloren. Doch sie sitzen in Kaspar Flücks Gedanken und drängen so aufs Papier. Fast barock werden Flücks Arbeiten, wenn er Acryl-Farben verwendet. Hier trägt er Farben mehrschichtig auf, lässt sie untereinander korrespondieren oder in Konkurrenz treten. Zum Schluss setzt er den Pinsel mit schwarzer Farbe ein, ähnlich wie den Bleistift. Satte, gefühlvolle Muster und Linien entstehen so. Man wird von diesen Bildwelten angezogen. Setzt der Künstler aber zum Schlussakkord Weiss statt Schwarz, steigen seine Farbkompositionen wie aus Nebelschwaden. Kaspar Flück hat noch eine weitere Mal-Sprache zu bieten. Sie ist aber fast erschreckend. Es sind Figuren, comicartige Monster, Maschinen. Übermächtige, zer- und verstörende Wesen, die er wild durcheinander herumwirbeln lässt. Pieter Brueghel kommt einem da in den Sinn. «Aufbruch» Kaspar Flück im Kunstgarten Aarwangen. Bis 29. Mai. Öffnungszeiten: Do, Fr, Sa, So 14–18 Uhr. www.kunstgarten.ch «Aufbruch» ist die erste grosse Ausstellung von Kaspar Flück übertitelt. Und das hat seinen Grund. Der 22-Jährige ist soeben aufgebrochen, und konnte sein erstes Atelier im Areal des Emmenhofs in Derendingen beziehen. Die Einladungskarte, welche die Aarwanger Galeristin Hedy Ernst verschickte, zeigt die Umzugssituation. Kaspar Flück ist mit Kunst aufgewachsen. In einer Solothurner Künstlerfamilie geboren, erschuf er sich schon als Kind malend und zeichnend Welten oder Wesen. Von 2006 bis 2009 absolvierte er die Fachklasse Grafik an der Schule für Gestaltung in Biel. 2009 erhielt er den Förderpreis der Rentsch-Stiftung. Letzten Sommer machte er sich erstmals auf: zu einer Reise, die ihn zu Fuss bis nach Südamerika führte. Nun der neueste Aufbruch: täglich in seinem eigenen Atelier den Pinsel, den Bleistift oder die Farbstifte in die Hand zu nehmen. Doch zuvor schafft er sich seine Leinwände, ganz selbst. «Ich stabilisiere sie mit Naturleim und räuchere sie dann mit Harz», erzählt er. Vom Effekt, der davon erzeugt wird, weiss er selbst nicht sehr viel. Die Wände erhalten einen bräunlichen Grundton, doch ihm ist die weihe-ähnliche Inbesitznahme dieser Leinwände durch die Beräucherung fast wichtiger. «Es ist ein BILD: HANSPETER BÄRTSCHI Der junge, 22-jährige Kaspar Flück zeigt seine erste grosse Ausstellung in der Galerie des Kunstgartens Aarwangen. Akt, wie man ihn auch mit Weihrauch vollführt», schmunzelt Kaspar Flück. DANACH BEGINNT ER NASS, wie in der Aquarellmalerei, aber mit Acrylfarben die Leinwand zu bemalen. Alle Farben kommen so vor. Grün-, Blau-, Rot- oder Gelbtöne. Ein intuitives Schwelgen in Farbwelten. «Ich suche immer den richtigen Zeitpunkt. Aufhören oder Weitermachen?», sagt der junge Künstler. «Es muss stimmig sein, während ich arbeite. Nie gehe ich an die Leinwand heran und weiss vorher schon, was ich malen will.» Flück holt so das aus sich heraus, was in ihm ist, was ihn umtreibt und be- schäftigt. «Ich will nicht einfach «schöne» Bilder malen. Ich will Stimmungen wiedergeben.» Wichtig ist ihm, seine eigene Mal-Sprache zu entwickeln und damit zu immer neuen Resultaten zu kommen. Kaspar Flück gelingt dies– trotz seines jugendlichen Alters – schon erstaun- «Meine – deine – keine Religion» Der Kanton Solothurn bringt erstmals Religionsgemeinschaften und Konfessionslose ins Gespräch Die diesjährige Woche der Religionen im Kanton Solothurn vom kommenden November wird um eine Ausstellung mit Gesprächsveranstaltungen erweitert. Albert Weibel, der Integrationsdelegierte des Kantons, erklärt, was hinter der Idee steht. VON BRIGITTA KÖHL Wie kam es zur Idee der Ausstellung der Religionen? Herr Weibel, was ist der Sinn der Woche der Religionen, und warum beteiligt sich der Kanton daran? Albert Weibel: Interreligiöser und in- terkultureller Dialog sind wichtig für ein friedliches Zusammenleben einer Gesellschaft, die von Vielfalt geprägt ist. Integration bezweckt – gemäss solothurnischem Sozialgesetz –, zwischen schweizerischen und ausländischen Staatsangehörigen ein friedliches, von gegenseitigem Respekt geprägtes Verständnis und Zusammenleben zu ermöglichen. Deshalb ist die interkulturelle und interreligiöse Auseinandersetzung Aufgabe der Integrationsarbeit des Kantons Solothurn. Bereits 2006 initiierte der Kanton Solothurn die Tage der offenen Moscheen. Seit 2007 steht im November in der ganzen Schweiz die Woche der Religionen im Kalender. Sie wurde von der Interreligiösen Arbeitsgemeinschaft Schweiz Iras Cotis, ins Leben gerufen und wird im Kanton Solothurn von der Fachstelle Integration umgesetzt. Es geht um Dialog und Begegnung und um den Abbau von Vorurteilen und Halbwissen. Der Kanton Solothurn ist seit Beginn dieser Veranstaltungen massgeblich beteiligt. Warum auch «keine Religion»? Schon 2010 nahmen Personen am runden Tisch teil, die explizit keiner Religion angehören und Atheisten sind. Erstaunlich, was wollten die denn an einem runden Tisch der Religionen? BILD: OLIVER MENGE Konsequent umgesetzt wurde der Gedanke des gemeinsamen Prozesses erstmals 2010. Der «Runde Tisch Woche der Religionen» wurde ins Leben gerufen. Seit 2010 beginnt die gemeinsame Planung bereits im Januar. Im Rahmen dieses runden Tisches brachte Mahbup Dagci von der Fatih Moschee Solothurn 2010 die Idee einer Ausstellung der Religionen. Der Vorschlag fand grossen Anklang, aber man sah, dass eine längere Vorbereitungszeit nötig war. Man erkannte, dass es nicht nur eine Ausstellung sein kann, in der jede Religion sich vorstellt, sondern dass Begegnung zwischen den einzelnen Religionen und Religionsgemeinschaften und den Besuchern ermöglicht werden soll. So wurde die Idee für dieses Jahr wieder aufgenommen und für das Wochenende vom 12./13. November (Ende der Woche der Religionen) konnte die Säulenhalle im Landhaus Solothurn reserviert werden. Der Anlass heisst «Meine – deine – keine Religion, Ausstellung und Begegnung im Rahmen der Woche der Religionen». Dank der Tatsache, dass eine Studentin und ein Student der Hochschule Luzern, soziale Arbeit, die Projektleitung für die Ausstellung übernehmen können, ist es möglich, dieses Projekt auch mit den nötigen Ressourcen zu versehen. von Religionsgemeinschaft distanzieren oder explizit atheistisch denken. Selbstverständlich muss das auch von Konfessionslosen und Atheisten erwartet werden. Das ist eine Herausforderung, der sich der «Runde Tisch Woche der Religionen» stellen will. Dialog und gemeinsames Handeln auch in dieser erweiterten Form in die Woche der Religionen einzubetten, ist nicht einfach. Aber: Es geht um das Zusammenleben aller. So macht es durchaus Sinn, dass sich zu Religionsvertretern auch Freidenker und Atheisten an einen Tisch setzen und zusammenarbeiten. Wie wollen Sie das in einem konstruktiven Sinne garantieren? Gibt es schon konkrete Vorstellungen für die Ausstellung? Albert Weibel, Integrationsdelegierter des Kantons Solothurn, engagiert sich für den Dialog der Religionen im Kanton. Es gibt viele Menschen, die keiner Religion angehören. Und da gibt es nochmals grosse Unterschiede. Es gibt religiöse Konfessionslose, es gibt aber auch Freidenker und Atheisten. Allgemein herrschte am runden Tisch die Meinung, dass es den Menschen, die Religion praktizieren, gelingen muss, mit Menschen in Dialog zu treten, die sich Es braucht einen Verhaltenskodex, der im Voraus von allen Teilnehmenden unterzeichnet werden muss. Der Kodex wird sich an den Leitlinien von Iras Cotis zur Woche der Religionen orientieren und zusätzliche Kriterien festhalten. Zum Beispiel darf nur informiert, aber nicht missioniert werden. Weiter darf nicht für die eigene Religion und Weltanschauung geworben werden. Es darf nicht gegen eine andere Glaubensgemeinschaft aufgewiegelt oder sogar zum Austritt aus einer Religionsgemeinschaft geworben werden. Es versteht sich von selbst, dass weder Symbole noch Rituale anderer Religionsgemeinschaften lächerlich gemacht werden dürfen. Es wurde bereits festgehalten, dass im Konfliktfall eine von allen akzeptierte Gruppe entscheiden würde, ob eine religiöse oder weltliche Organisation an der Ausstellung teilnehmen kann oder nicht. Sicher ist, dass im Konfliktfall zuerst auf Gesprächsebene eine Lösung gesucht wird. Alles andere wäre ein schlechtes Vorzeichen für eine Ausstellung, die das friedliche Zusammenleben zum Ziele hat. Ja. Nebst den Marktständen der verschiedenen Gemeinschaften wird zum Beispiel Günther Gebhardt als Vertreter der Stiftung Weltethos, welche von Hans Küng präsidiert wird, ein Referat mit dem Titel halten: «Miteinander reden statt aufeinander schiessen. Weltethos und interreligiöser Dialog». Gebhardt wird den Weltethosgedanken erläutern, der sich an ethischen Grundlagen orientiert. Er sagt, dass vom ethischen Ansatz her der Einbezug von nicht religiösen Personen und Organisationen eine Chance sei. Amira Hafner-Al-Jabaji, Islamwissenschafterin aus Grenchen, und Doris Strahm, römisch-katholische, feministische Theologin und Publizistin aus Basel, werden unter dem Titel «Der andere Blick» ein Gespräch zum Thema «Weibliche Freiheit und Religion» führen. Weiter sind auch eine Podiumsdiskussion in Form eines Streitgesprächs und ein Film zum Thema vorgesehen. Noch nicht sicher ist, ob es ein musikalisches, interkulturelles Abschlusskonzert geben wird. Was versprechen Sie sich von der Veranstaltung? Wir hoffen auf Begegnungen von Menschen und Religionen, die von Interesse, Wohlwollen, Wertschätzung und Respekt geleitet sind. Vorurteile und Halbwissen sollen durch bessere Kenntnisse und Verständnis füreinander ersetzt werden. Welche Religionen und Religionsgemeinschaften sind an diesem interreligiösen Markt vertreten? Bis jetzt sind dabei: Aleviten, Baha’i, christliche Landeskirchen und Religionsgemeinschaften, Hindu, Muslime, Freidenker.