Japan: Katastrophen - aber keine Apokalypse

Es gibt kaum einen Bericht über Japan, der sich nicht irritiert zeigt von der Gelassenheit der JapanerInnen angesichts der Natur- und Technikkatastrophen. Auch in der NZZ spricht Ludger Lütkehaus von der "mentalen Immunabwehr" der JapanerInnen, ihrem "Katastrophen-Stoizimus". Aber - typisch christlich gepägt - kommt auch er als Atheist nicht ohne den zweifachen Gebrauch des Begriffs Apokalypse aus. Doch genau diesen Begriff verwenden die JapanerInnen nicht, weil sie eben nicht an diesen tobsüchtigen christlichen Gott glauben, der die Menschen mit Katastrophen auf den richtigen Weg bringen oder schliesslich mit der Apokalypse - dem schauderhaften Weltuntergang, den nur die Rechtgläubigen überleben - bestrafen will. Unbelastet von diesem christlichen Glauben verschwenden sie keine Energie an die Frage, wer warum damit bestraft werden soll und fühlen sich nicht schuldig, sondern einfach verantwortlich - die beste Voraussetzung, die immensen Probleme anzupacken und nicht zu bejammern. Ohne diese religiöse Vorstellung verkraften die Menschen schwierigste Situationen offensichtlich besser als mit - denken wir an Haïti, wo die viele Menschen aus lauter Rechtgläubigkeit immer noch die Hände gefaltet im Schoss ruhen lassen und auf Erlösung warten.

In den Bildern, die uns aus Japan erreichen, können wir schlicht Menschlichkeit sehen. Menschen helfen Menschen, trösten Menschen - ohne Aussicht auf persönliche Belohnung, ohne die viel beschworene christliche Hoffnung auf das Jenseits - Japan ist ein Lehrstück für die Humanität des Pragmatismus.

Reta Caspar

http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/aktuell/gelassen_bleiben_1.9909887.html