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(file: @@FD-042010.pdf@@)Freidenker-Vereinigung der Schweiz „Entwicklungshilfe ist tödlich. Leihen Sie Afrikanern Geld, damit sie sich ein Geschäft aufbauen können. Da reichen 25 Dollar, die zurückbezahlt werden müssen. ” Dambisa Moyo Seite 14 4 I 2010 Religion in den Medien Seite 6 Sterbehilfe Politik und Realität Skepsis ergebnisoffen denken Seite 4 Seite 10 2 I Inhalt Die grosse Verschleierung .................................. 2 Volkszählung 2010 ............................................. 3 Reta Caspar Religionen zähmen ............................................ 3 FVS aktuell .......................................................... 4 Sterbehilfe: Politik und Realität ........................ 4 Religion in den Medien ...................................... 6 (Aber-)Glauben und Geschlecht ......................... 8 Strafvollzug Bildung statt Religion ....................................... 10 Skepsis – ergebnisoffen denken ....................... 10 Literatur ............................................................ 11 Europa Burkaverbot ...................................................... 12 Kantone Staat und Kirche ............................................... 12 Kanton Wallis Im Auge der katholischen Gesellschaft ........... 13 Christliche Missionare Gideons verteilen Bibeln an Schulen .............. 13 Entwicklungshilfe – Segen oder Fluch ............ 14 Sektionen Standaktion in Solothurn ................................ 15 Agenda ............................................................. 15 Adressen ........................................................... 16 Neuerscheinung Moscheen-Streit. Kopftuch-Debatte. Scharia ... Die grosse Verschleierung: ein Buch über die Hindernisse erfolgreicher Integrationspolitik, über die politisch-symbolische Dimension der Verschleierung muslimischer Frauen, aber auch über die Verschleierung der islamistischen Gefahr durch Kulturrelativisten in deutschen Medien. Die Debatten über den wachsenden Einfluss islamischer Kreise nicht nur in Deutschland werden immer heftiger. Alice Schwarzer, die im Jahr 2002 mit ihrem Buch „Die Gotteskrieger” (KiWi 683) Zeichen gesetzt hat, hat sich auch in den folgenden Jahren immer wieder zur islamistischen Gefahr zu Wort gemeldet. „Die grosse Verschleierung” versammelt nun zahlreiche dieser politischen Interventionen und gibt ein genaues Bild vom heutigen Stand der kritischen Auseinandersetzungen über den Islamismus in Deutschland, in Frankreich und in islamischen Ländern (wie z.B. Algerien). Die Themen reichen vom Schweizer Minarettverbot und der deutschen Kopftuchdebatte bis zu den französischen Diskussionen über die Rolle der Burka in der Öffentlichkeit. Ausserdem: die Unruhen in den Pariser Vorstädten, die Strategien islamistischer Agitation z.B. im Internet, die Rolle der Konvertitinnen. Die Grenzlinie zwischen dem Islam als Religion und dem politischen Islamismus bleibt dabei immer im Blick, wenn diese auch zusehends schwerer zu ziehen ist. Alice Schwarzers Texte werden durch Untersuchungen und Berichte zahlreicher Co-Autorinnen ergänzt, u.a. von: Elisabeth Badinter, Djemila Benhabib, Rita Breuer, Cornelia Filter, Carola Hoffmeister, Necla Kelek, Chantal Louis, Khalida Messaouidi-Toumi, Katha Pollitt, Annette Ramelsberger, Gabriele Venzky, Martina Zimmermann. Broschiert: 272 Seiten Verlag: Kiepenheuer & Witsch; Auflage: 1.; 23. September 2010 ISBN-10: 3462042637 Impressum Gottlos glücklich – der Button zur Kampagne Die deutschen Kollegen haben in Fortsetzung der Buskampagne einen Button kreiert. Durchmesser: 2 cm, Farbe: Pink auf Weiss. Er kann mit frankiertem Retourcouvert und beigelegten Fr. 5.– in Briefmarken bestellt werden bei: Freidenkervereinigung der Schweiz Postfach 3001 Bern Herausgeberin: Freidenker-Vereinigung der Schweiz Geschäftsstelle Postfach 3001 Bern 031 371 65 67 www.frei-denken.ch Erscheinungsweise: vierteljährlich Redaktionsschluss: 10. des Vormonats Auflage: 2200 Redaktion: Reta Caspar redaktion@frei-denken.ch Jahresabonnement: Schweiz: Fr. 30.– , Ausland: Fr. 35.– (B-Post) Zweitabonnement für Mitglieder aus der Romandie und dem Tessin: Fr. 10.– Probeabonnement: 2 Nummern gratis Korrektorat: Petra Meyer www.korrektorium.ch Druck und Spedition: Printoset Flurstrasse 93 8047 Zürich www.printoset.ch ISSN 1662-9043 95. Jahrgang Namentlich gekennzeichnete Beiträge können, aber müssen nicht mit der Ansicht der Redaktion übereinstimmen. frei denken. 4 I 2010 Editorial I 3 Volkszählung 2010 Religionen zähmen Thilo Sarrazins Thesen zur Lage der deutschen Nation haben einen wichtigen Zweck erfüllt: Die öffentliche Diskussion ist darin gescheitert, ihn wegen ein paar – kontraproduktiven? – Provokationen zu diffamieren. Die PolitikerInnen wurden von ihren WählerInnen im Stich gelassen und konnten sich nicht vor der Diskussion der Anliegen drücken. Nach den ersten Pauschalrundumschlägen erschienen dann die interessanteren Beiträge. In der NZZ am Sonntag (5.9.2010) zum Beispiel schrieb der frühere Basler Integrationsbeauftragte Thomas Kessler: „Es lohnt sich ein Blick in die Zeit der Staatsgründung um 1850, als es um die Integration der katholischen Minderheit ging. Die Gründer starteten eine Bildungsoffensive und begünstigten die industrielle Entwicklung so erfolgreich, dass ab 1870 das einstige Auswanderungs- zum Einwanderungsland wurde. Die Landregionen versorgten die rasch wachsenden Städte mit jungen Kräften, die Kinderzahl war in den katholischen Familien deutlich höher als bei den Protestanten; in den Problemstatistiken dominierten die Katholiken. Die offizielle Politik war klug genug, die Gegensätze nicht zu problematisieren, sondern sie mit dem Schulobligatorium und mit Investitionen in die Infrastruktur auf den gemeinsamen Aufstieg hin anzugleichen. Das heute breit akzeptierte Prinzip ‚Fördern und Fordern’ für die Integration der Zuziehenden ist die Fortschreibung dieser Erfolgsgeschichte auf die für uns notwendige Immigration.” Dass mit Förderung vor allem Spracherwerb, Bildung, Berufsbildung und Zugang zum Arbeitsmarkt gemeint ist, ist unbestritten. Was aber darf gefordert werden? Im 19. Jahrhundert hat das Schulobligatorium auf Verfassungsstufe den Kantonen das Zwangsmittel gegeben gegen Eltern, die ihre Kinder nicht in die Schule schicken wollten. In Fall von Schaffhausen hat das Bundesgericht 2008 – wegweisend – entschieden, dass Integration der Religion vorgeht und ein Dispensationsverbot vom Schwimmunterricht rechtens ist. Im Kanton Basel wurden kürzlich zum ersten Mal muslimische Eltern gebüsst, die ihre Kinder nicht zum Schwimmen schicken wollten. Im Kanton St. Gallen wird das Kopftuchverbot in den Gemeinden unterschiedlich durchgesetzt. Was geschah dann? Die Schaffhauser Familie ist nach Biel umgezogen, ebenso eine Familie aus dem Kanton St. Gallen, die dem Kopftuchverbot ausweichen wollte. Die Geschichte lehrt: Religionen müssen gezähmt werden. Ob Föderalismus und die bestehende Vielfalt in der Schweiz hier eine Chance oder eher ein HinderReta Caspar nis sein werden? Jeder Austritt zählt! Derzeit basieren sämtliche Diskussionen um die Entwicklung der Religionszugehörigkeit auf der Volkszählung 2000. Die Volkszählung 2010 wird in neuer Form durchgeführt: Erstmals werden viele Merkmale aus den Registereinträgen bei den Gemeinden ausgewertet, das spart sehr viel Geld und Zeit. Die Religion gehört allerdings nicht zu diesen Merkmalen, weil sie nicht in allen Kantonen gleich erhoben wird. Sie wird lediglich Teil der jährlichen sogenannten Strukturerhebung sein, bei der 2000 Personen in der Schweiz detailliert zur Religionszugehörigkeit befragt werden. Eine Auswertung auf Stufe Kanton ist vorgesehen. Wie gut das funktioniert, muss sich zeigen. Seit Einführung der Einwohnerregisterharmonisierung (2008) wird von allen Gemeinden der Schweiz die Erfassung der Religionen gemäss einer einheitlichen Nomenklatur verlangt, die auch die Konfessionsfreien ausweist. Erst ab diesem Datum können Daten also erwartet werden. Kantonale Statistiken Die FVS hat deshalb im Juni 2010 die kantonalen StatistikVerantwortlichen angeschrieben und nach ihren Plänen zur Auswertung der vorhandenen Registerdaten befragt. Die Ergebnissen der Strukturerhebung können dann ab 2011 mit kantonalen Ergebnissen verglichen werden. Kantone, die Registerdaten auswerten wollen: AG*, BL, BS*, LU, GR, NE*, SG*, TG, VS, ZH *Konfessionsfreie werden separat ausgewiesen. Kantone, die keine Publikation vorsehen: AI, GE, GL, JU, OW, VD, TI, ZG Die Frage (noch) nicht beantworten konnten: SH, SO, SZ, UR Konfessionsfreien empfehlen wir, noch dieses Jahr bei der Einwohnerkontrolle die Registrierung als „konfessionslos” erfassen zu lassen. frei denken. 4 I 2010 4 I FVS aktuell Zentrale FVS-Datenbank im Aufbau Die zentrale Datenbank der FVS befindet sich derzeit im Teststadium. Geplant ist, dass alle Sektionen ab Dezember 2010 Zugriff haben auf ihre Mitgliederdaten und Mutationen künftig nur noch an einer Stelle durchgeführt werden. Zusammen mit der Möglichkeit, via Onlineformular auf www.frei-denken.ch Mitglied zu werden, verfügen die FVS und die Sektionen dann über ein Verwaltungsinstrument, das die letzten Doppelspurigkeiten eliminieren wird. Sterbehilfe: Politik und Im Vernehmlassungsverfahren haben beide Varianten des Bundesrates – eine strenge Reglementierung oder ein Verbot von Sterbehilfeorganisationen – praktisch keinen Rückhalt gefunden. Auch die FVS hat sich klar gegen die beiden Vorlagen und für den Status quo ausgesprochen. Die meisten Parteien – SVP, FDP, SP und Grüne – halten die heutige Regelung im Strafgesetzbuch zur Sterbehilfe ebenfalls für ausreichend und wollen sie beibehalten. Sie verbietet die Beihilfe zum Suizid nur, wenn sie aus „selbstsüchtigen Beweggründen” geleistet wird. Kirchennahe Kreise und die christlichen Parteien CVP und EVP hatten die bundesrätlichen Pläne unterstützt. Allerdings setzt sich neben den Kirchen nur die EVP für ein Verbot von Sterbehilfeorganisationen ein; der CVP würden strengere Regeln genügen – vor allem um den Sterbetourismus aus dem Ausland zu unterbinden. Verbot ist vom Tisch 26 Kantone, 13 politische Parteien, 81 Organisationen und 28 Privatpersonen haben Stellung genommen. Die Auswertung zeigt klar, dass ein Verbot der Sterbehilfe keine Option ist. Wie weiter in der Politik? An der Publikumsveranstaltung in Zürich ging Bundesrätin Widmer-Schlumpf gemäss einem Bericht der Sterbehilfeorganisation EXIT davon aus, dass eine Mehrheit der Bevölkerung aber eine Einschränkung befürwortet, mit der Begründung: Wenn jeder, der wolle, sich beim Freitod mitmenschlich begleiten lassen könne, führe das zu einer Ausweitung selbstbestimmten Sterbens, was wiederum einen Druck auf Kranke und Alte erzeuge, sich „aus Kostengründen” oder „um der Gesellschaft nicht zur Last zu fallen” das Leben zu nehmen. Gemäss Mitteilung des Bundesrates soll nun aber das Bundesamt für Justiz die Sorgfaltspflichten der Sterbehilfe definieren und verschiedene Aspekte (namentlich die Frage der Urteilsfähigkeit) unter Beizug externer Experten für Psychiatrie (René Raggenbass, Martigny), für Strafverfolgung (Severino Fioroni, Basel-Stadt) und für Verfassungsrecht (Regina Kiener, Universität Zürich) einer vertieften Analyse unterziehen. Die drei „Experten” verfügen laut EXIT aber über keinerlei praktische Erfahrung mit Freitodhilfe und sind in der Öffentlichkeit bisher als >> S. 5 Gegner der Freitodhilfe aufgefallen. AGORA – nicht in Schweizer Kinos Obwohl für August angekündigt, kommt das historische Drama „Agora” nicht in die Schweizer Kinos. Der Zentralvorstand hat zwei Exemplare des Videos angeschafft und stellt sie Mitgliedern und Sektionen für nichtkommerzielle Anlässe kostenlos zur Verfügung. Am 18. September 2010 hat die Sektion Wallis den Film in einer Privatvorführung im Kino Visp gezeigt. Interessierte melden sich auf der Geschäftsstelle. LehrerInnen finden Begleitmaterial auf: www.film-kultur.de/glob/kc_agora.pdf Die FVS in den Medien Juni–September 2010 Landbote Tele ZüriPlus St. Galler Tagblatt NZZ Zisch Zürcher Oberländer 10.6.2010 A. Kyriacou in „Glauben ist wie Minigolfspielen“ 15.6.2010 A. Kyriacou in „GBS Schweiz stellt sich vor“ 17.6.2010 R. F. Schacher, Leserbrief „Toleranz gegenüber dem Islam“ 28.6.2010 Porträt von R. Caspar „Die entspannte Agnostikerin“ 19.7.2010 G. Annen, Leserbrief „Weltanschauliche Neutralität“ 31.7.2010 A. Kyriacou in „Gott hat keinen Einfluss auf mein Leben“ (Gründung der GBS CH) 9.8.2010 A. Kyriacou in „Wer/wo ist Gott?“ 9.8.2010 Interview mit A. Koch „Die Kirche hat keine Zukunft mehr” 13.8.2010 G. Annen, Leserbrief „Die Theologie bietet keine Antworten auf die heute wesentlichen Fragen“ 20.8.2010 H. Brugger im Streitgespräch mit Geistheilerin, „Es spukt nicht in der Welt, es spukt im Hirn” 26.8.2010 V. Abgottspon in „Schule und Kirche/Religion im Kanton Wallis“ DRS 3 Zürichseezeitung Zisch BaZ Kanton Zürich Radio Rottu Radio Munot TeleTop Radio Rottu Walliser Bote „Nein zum Sterbetourismus” kommt vors Volk Das Bundesgericht hat die Beschwerde gegen die Gültigerklärung der Zürcher EDU-Initiative „Nein zum Sterbetourismus” abgewiesen. Mit dem Volksbegehren wird der Erlass einer Regelung gefordert, welche die Beihilfe zum Suizid an die Bedingung knüpft, dass der/die Suizidwillige mindestens ein Jahr lang im Kanton Zürich gelebt haben muss. Ein möglicher Verstoss gegen Bundesrecht kann nun erst nach einer allfälligen Annahme der Initiative geltend gemacht werden. frei denken. 4 I 2010 27.8.2010 R. Caspar zu „Gideon Bibelverteilung in Schaffhausen“ 30.8.2010 J. L. Caspar zu „Gideon Bibelverteilung in Schaffhausen“ 13.9.2010 V. Abgottspon zu „Schule und Kirche/Religion im Kanton Wallis“ 16.9.2010 V. Abgottspon in „Das Kreuz mit dem Kruzifix“ Sterbehilfe I 5 Realität Mehrheit befürwortet sogar aktive Sterbehilfe Das Kriminologische Institut der Universität Zürich hat im Mai 2010 eine repräsentative Stichprobe der Schweizer Bevölkerung zu konkreten Fällen von Sterbehilfe und Suizidbeihilfe befragt. Die Anfang September 2010 publizierten Ergebnisse zeigen, dass eine Mehrheit sogar die heute verbotene „direkte aktive Sterbehilfe” erlauben würde, also zum Beispiel die Verabreichung einer tödlichen Spritze. Diese Einstellung geht einher mit einer positiven Sicht auf das selbstbestimmte Sterben und eher schwach ausgeprägter Religiosität. An zweiter Stelle steht bei der Mehrheit das Argument, dass die Aussicht auf Suizidhilfe grausamere Suizidarten verhindern kann. Sprachregion, Geschlecht und Bildungsstand spielen in den Ergebnissen praktisch keine Rolle. Ärzte und Ärztinnen gefordert 86 Prozent der Befragten möchten, dass primär Ärzte oder speziell ausgebildetes Pflegepersonal bei der Selbsttötung mitwirken. Nur 43 Prozent sind der Meinung, dass Suizidhilfe auch Mitarbeitende von Sterbehilfe-Organisationen durchführen sollten. 39 Prozent befürworten die Mitwirkung von Angehörigen und Freunden. Selbstbestimmung nur für Kranke? Die Suizidhilfe wird nur für schwer erkrankte Personen mehrheitlich befürwortet. Betagten Menschen ohne körperliche Leiden würde die Mehrheit der Befragten die Sterbehilfe vorenthalten wollen, ebenso Menschen mit schweren psychischen Krankheiten. Sterbetourismus unerwünscht Zwei Drittel der Befragten lehnen auch die Sterbehilfe für nicht in der Schweiz wohnhafte Personen ab, mehr als die Hälfte würde sich aber an Sterbehilfe in ihrer Nachbarschaft nicht stören. Reta Caspar Differenzierte Ethik In einer kürzlich publizierten Studie des Kriminologischen Instituts der Universität Zürich wurden 1500 Befragten sechs praxisnahe oder rechtlich bedeutsame Fallbeschreibungen vorgelegt, in denen Personen über ihr eigenes Lebensende oder das Lebensende einer anderen Person entscheiden. Zu jedem Fall gaben die Befragten ihre ethische Einschätzung auf einer ZehnerSkala ab, indem sie Handlungen des Arztes oder des Sterbehelfers als „richtig” oder „falsch” beurteilten.  Die höchste Zustimmung findet der Ernährungsabbruch bei einer Wachkomapatientin, wenn die Angehörigen damit einverstanden sind. Es zeigt sich aber, dass das Urteil – bei gleicher Handlung des Arztes – völlig anders ausfällt, wenn die Angehörigen nicht einig sind, d. h. wenn ein Familienmitglied mit dem Ernährungsabbruch nicht einverstanden ist. Hier ist die tiefste Zustimmung zu verzeichnen. Der Wunsch zur Fortsetzung lebenserhaltender Massnahmen mindestens eines Angehörigen ist demnach sehr wichtig für das moralische Urteil.  Hohe Zustimmung findet sich auch beim Abstellen des Beatmungsgerätes auf Wunsch des Patienten mit unheilbarer Muskelkrankheit und bei der Schmerzbekämpfung mit unbeabsichtigter lebensverkürzender Nebenwirkung.  Bei den drei Suizidbeihilfefällen ergibt sich eine Rangfolge: Die Rezeptausstellung des Arztes bei einer todesnahen Krebspatientin wird überwiegend als „richtig” angesehen, gefolgt von dem begleiteten Suizid eines schwerkranken Hochbetagten (beinahe blind und taub, inkontinent, im Rollstuhl). Etwas geringer, aber immer noch überwiegend ist die Akzeptanz dieser Handlung bei einem sterbewilligen Alzheimer-Patienten.  Auch direkte aktive Sterbehilfehandlungen des Arztes auf Wunsch der todesnahen Patientinnen werden mehrheitlich als „richtig” angesehen. Allerdings finden die Befragten bei gleicher Ausgangslage die Suizidbeihilfe bzw. die indirekte aktive Sterbehilfe (potenziell lebensverkürzende Schmerztherapie) „richtiger”. Kriminologisches Institut Universität Zürich: „Was die Schweizer Bevölkerung von Sterbehilfe und Suizidbeihilfe hält”, Medienkonferenz 2.9.2010 Sterbehilfe in den Niederlanden Die Zürcher Studie zieht den Schluss, dass eine gesetzliche Regelung der direkten aktiven Sterbehilfe, wie sie in den Niederlanden und in Belgien existiert, in der Schweiz eine breite öffentliche Zustimmung finden würde. Die Niederlande haben als erstes Land der Welt 2002 das Recht auf aktive Sterbehilfe eingeführt. Ärztinnen und Ärzte, die dem Wunsch eines Patienten auf Tötung entsprechen, werden juristisch und moralisch freigesprochen. Sie können eine Tötung aber auch ablehnen, wenn sie selber ethische Bedenken haben. Voraussetzung für eine Euthanasie: Sterbewillige müssen älter als 18 Jahre alt und geistig nicht behindert sein und den Wunsch zu sterben deutlich vor Zeugen aussprechen. Das Leiden muss unerträglich sein mit keinerlei Aussicht auf Veränderung des Zustands. Der Hausarzt muss sich davon überzeugt haben, dass der Sterbewunsch reiflich überlegt ist und aus freiem Willen heraus geschieht. Ein zweiter, unabhängiger Arzt muss für eine Zweitmeinung zu Rate gezogen, und der Fall einer Untersuchungskommission vorgelegt werden. frei denken. 4 I 2010 Sterbehilfe und Palliativbetreuung: Ergänzung oder Konkurrenz? 24. November 2010, 19.30 Uhr Kleinkunstbühne qbus Braschlergasse 10, 8610 Uster Es diskutieren: 300 m vom Bahnhof Uster, Weg wird signalisiert Heidi Vogt Däniker Leiterin Freitodhilfe Exit, Uster Anästhesist/Schmerztherapeut Co-Präsident palliative zh+sh, Wetzikon Andreas Weber Moderation: Andreas Kyriacou Präsident Zürcher Freidenker Eine Veranstaltung der Zürcher Freidenker in Zusammenarbeit mit der Regionalgruppe Schweiz des Förderkreises der Giordano Bruno Stiftung 6 I Religion in den Medien Religion im Fernsehen Eine Teilstudie des NFP 58 (Religionsgemeinschaften, Staat und Gesellschaft) hat sich mit der Thematisierung von Religion auf Schweizer Fernsehkanälen befasst. Untersucht wurden die TV-Beiträge in der Kalenderwoche 5/2008 auf den staatlichen Sendern SF1, TSR und TSI, sowie auf den privaten Sendern TeleBärn und TeleZüri. In 48 % der Sendezeit wird in Wort und/oder Bild ein Bezug zu Religion hergestellt, im Detail in: 91 % aller Politiksendungen 83 % aller Sportsendungen 81 % aller Unterhaltungsinfos 80 % aller Spielfilme, Krimis etc. 66 % aller Unterhaltungsshows 41 % aller Infosendungen zu Sachthemen 38 % aller Trailer und Überbrückungen 34 % aller Werbebeiträge SF1 thematisiert Religion am häufigsten. SF 1 40 %, TSI 35 %, TSR 33 % Private Sender thematisieren Religion weniger. TeleBärn 16 %, TeleZüri 10 % Bei SF1 thematisieren 40 % der Sendungen Religion. Dazu gibt es in 54 % der Spielfilme religiöse Bezüge, das sind deutlich mehr als in der Romandie und im Tessin. Im Tessin fällt der hohe Anteil von Religionsbezügen in Kindersendungen auf. In den anderen Sprachregionen gab es keine Kindersendungen mit Religionsbezug. Wie christlich ist die Schweiz? Die VerfasserInnen schreiben, dass dies zwar Einheimischen wegen der kulturellen Gewöhnung an christliche Symbole kaum auffallen dürfte, bei Personen mit einem Migrationshintergrund aber der Eindruck einer christlich geprägten Alltagskultur erweckt werde. Religionspolitische Schlussfolgerung Zum Schluss versteigt sich der „wissenschaftliche Bericht” zu folgender Bemerkung: „Politisch kann man jedoch weiterhin darauf hinwirken, dass Religion und Religionsgemeinschaften zu denjenigen gesellschaftlichen Feldern gezählt werden sollten, die öffentlich relevant sind und damit zu den Gegenständen der professionellen und öffentlich finanzierten Medien gehören.“ www.nfp58.ch Diese Schlussfolgerung offenbart die religionsfreundliche Grundhaltung der Studie aus der (katholischen) Universität Freiburg! Insgesamt bestätigt sich der Eindruck vieler Konfessionsfreier, dass SF1 der Religion viel Platz einräumt. Die FVS hat sich zum Beispiel im Juli 2010 bei der SF 1 darüber beschwert, dass Beatrice Müller in der Tagesschau bei der Berichterstattung über die Katastrophe in Duisburg neben der Reaktion der deutschen Kanzlerin und des EU-Präsidenten auch eine Verlautbarung des Vatikans zum Betverhalten des Papstes wiedergab – obwohl der Anlass keinen religiösen Bezug hatte, sondern im Gegenteil eine Woche später die Katastrophe von einem Bischof der RKK als Gottes Strafe bezeichnet wurde. Religion: Selbst- und Im Schweizer Fernsehen werden den Religionsgemeinschaften wöchentlich verschiedene Sendegefässe zugestanden. „Wort zum Sonntag” Seit 1954 werden in dieser Sendung auf SF1 zu bester Sendezeit am Samstagabend nach der Tagesschau den Zuschauern Gedanken aus „landeskirchlicher Sicht” vermittelt. Rechtliche Grundlage ist eine Vereinbarung zwischen SRG und Kirchen, die 2007 für fünf Jahre verlängert worden ist. Darin wird die Zusammenarbeit begründet, obwohl die Konzession der SRG selber keinen solchen Auftrag enthält. Samstag, 19.55 Uhr, SF 1, Dauer: 4 Minuten „Sternstunde Religion” In der oben genannten Vereinbarung steht: „Religiöse Struktursendungen setzen sich systematisch mit religiösen Ereignissen und Phänomenen, Personen und Institutionen auseinander und vermitteln religiöse Erfahrungen und Werte auf vielfältige Weise: durch aktuelle Informationen und kritische Reflexionen, durch die Wiedergabe von kultischen Ereignissen, durch Angebote zur Lebensgestaltung und Impulse zur Lebensbewältigung, durch Besinnung auf spirituelle Wurzeln.” Gottesdienstübertragungen: 45 bis 60 Min., 20/Jahr. «Nachgefragt»: 15 Min., 10/Jahr Religionsgespräch: 30 Min., 30/Jahr Dok-Filme zu Religion und Gesellschaft: 30 Min., 30/Jahr Sonntag, 10.00 Uhr auf SF 1, Dauer: 60 Min. Wiederholung am Dienstag um 11.00 Uhr auf SF info „Bilder zum Feiertag” In „Bilder zum Feiertag” werden seit 2006 sechs- bis achtmal im Jahr Kurzreportagen ausgestrahlt. Sie geben Einblick in Feste und Rituale von Religionen und Konfessionen, die nicht im „Wort zum Sonntag” vertreten sind: Islam, Judentum, Hinduismus, Buddhismus, christlich-orthodoxe Kirchen. Jeweils an Feiertagen, 22.20 Uhr (nach der Spätausgabe der „Tagesschau” respektive von „10vor10”) Dauer: ca. 4 Minuten „Fenster zum Sonntag” Das christliche Missionsunternehmen „ERF Medien” produziert seit 1995 mit der Partnerorganisation „Alphavision” wöchentlich eine halbstündige Sendung. Seit 2006 wird sie auf SF info wiederholt. Trägerin des Projektes ist die Stiftung „Christliches Fernsehen” von freikirchlichen Christen und der Evangelischen Allianz. Sa. 17:15 Uhr SF2 / 18:30 Uhr SF info, So. 12:00 Uhr SF2 / 17:45 Uhr SF info Auf SF1 stehen also derzeit den „Landeskirchen” pro Woche 125 Minuten für die Selbstdarstellung zur Verfügung. Andere Religionsgemeinschaften werden zu einzelnen Feiertagen in den Kurzporträts der „Worte zum Feiertag” präsentiert. Die zuständige Redaktion will dieses Format in Zukunft eher ausbauen. Auf SF2 frei denken. 4 I 2010 Religion in den Medien I 7 Organisierte Religion und Medien Eine Teilstudie des NFP 58 (Religionsgemeinschaften, Staat und Gesellschaft) hat 2009 21 Religions- und 35 Medienvertreter über ihre gegenseitigen Ansprüche und Erfahrungen befragt. Darauf aufbauend erfolgt eine quantitative Inhaltsanalyse von Tageszeitungen und Fernsehen in der deutschen und französischen Schweiz. Religionsgemeinschaften Die Landeskirchen haben genug Ressourcen für professionelle Öffentlichkeitsarbeit. Kleineren Gruppierungen fehlen die Mittel. Nur der ICF (International Christian Fellowship) und die Freidenker haben eine klare Kommunikationsstrategie und eine „erhebliche Intensität” in der Öffentlichkeitsarbeit.(Der Islamistische Zentralrat IZRS war zum Zeitpunkt der Studie noch nicht aktiv.) Die Religionsgemeinschaften haben das Problem erkannt und Veränderungen eingeleitet. Redaktionen In vielen Redaktionen gibt es zum Thema Religion keine klaren Zuständigkeiten und Fachkompetenzen. Religion wird dann als relevant eingestuft, wenn sie mit politischen, wirtschaftlichen oder sportlichen Themen kollidiert. Inhaltsanalyse Die Berichterstattung über Religion wird vom Islam und dem Katholizismus dominiert. Religion an sich ist kaum ein Thema. Die Berichterstattung ist primär negativ geprägt, insbesondere bei den nichtchristlichen Religionen. Juden, Buddhisten kommen darin häufiger als Opfer, Helden oder gute Mütter vor, Muslime – insbesondere Schiiten – als Auslöser von Konflikten, Katholiken oft als Schuldige. Schlussfolgerungen Die Verfasser der Studie sehen in den Ergebnissen der Analyse Hinweise auf eine unausgewogene Berichterstattung, der auf Seite der Religionsgemeinschaften mit Ausbildung von „Religionskommunikatoren” und auf Seite der Medien der stärkeren Thematisierung von Religion in der Journalistenausbildung begegnet werden www.nfp58.ch soll. Die Schlussfolgerung der „unausgewogenen Berichterstattung” irritiert. Kann es sein, dass in der Berichterstattung über Religionen die Medien zur Political Correctness gedrängt werden sollen? Sollen alle Religionen als grundsätzlich friedfertig dargestellt und ihr Konfliktpotenzial schöngeredet werden? Gemäss den publizistischen Leitlinien der SRG bedeutet Ausgewogenheit: „Wird Nachteiliges über eine Person, eine Unternehmung, ein Amt oder eine Organisation verbreitet, müssen sich die Betroffenen im selben Kontext dazu äussern können. Dabei werden sie mit ihren besten Argumenten zitiert. Eine Ausgewogenheit im Sinne von gleich vielen oder gleich langen Statements ist nicht gefordert.” Fremddarstellung kommen weitere 120 Minuten der Freikirchen dazu. In diesen Sendungen führen die Religionsgemeinschaften mehrheitlich selber das Wort oder werden durch wohlgesinnte InterviewerInnen befragt. Eine Auseinandersetzung mit externen kritischen Stimmen findet nicht statt. Kommt hinzu, dass immer wieder zu hohen christlichen Feiertagen die Sternstunde Religion ausgedehnt wird und dafür zum Beispiel an Ostern die Sternstunden Philosophie und Kunst ausfallen. Mit diesen StudioVerkündungen und Live-Übertragungen von kultischen Veranstaltungen erhalten die „Landeskirchen” auf SF1 einen kaum zu rechtfertigenden Anteil an Sendezeit und damit Produktionskosten und Konzessionsgebühren zulasten von Nicht- und Andersgläubigen. Beitrag zur Integration? Gemäss Konzession hat SF auch den Auftrag, zur Integration beizutragen. In den religiösen Sendungen lief das allerdings bisher durch die Betonung des interreligiösen Dialogs. Da treffen sich sehr engagierte Gläubige aus verschiedenen Religionen – die grosse Mehrheit der Nichtreligiösen und Nichtpraktizierenden bleibt ausgeschlossen und zappt weg. Neu soll eine Sendung konzipiert werden, welche Integration direkt angeht. Vorbild könnte etwa ein niederländisches Sendeformat („De meiden van Halal”) sein, in dem drei junge, gläubige Musliminnen als Moderatorinnen mit Kopftuch eine Homo-Demo besuchen und über Islam und Homosexualität diskutieren, oder mit einem Komiker eine Nummer, welche sie als beleidigend empfinden. Direkt und ernsthaft, aber nicht bierernst, lebensnah mit Provokation, Konfrontation und Witz, ohne den Integration wohl kaum gelingen kann. Ob das Schweizer Fernsehen diese entwaffnende holländische Direktheit und diesen Humor hinkriegt, wird sich zeigen müssen. Fremddarstellung Aus den Ergebnissen der Freiburger TV-Studien (Kasten links) wird ersichtlich, dass Religion auf SF1 auch ausserhalb der eigentlichen Religionssendungen omnipräsent ist. Religion wird mehrheitlich als Nebenthema dargestellt, vorwiegend in politischem und kontroversem Zusammenhang oder in Form von Symbolen. Aber auch damit wird der Eindruck der „Normalität” religiöser Symbole oder Deutungen in einer Gesellschaft erweckt, in der selbst die christlichen Feiertage nur noch von einer Minderheit wirklich als solche begangen werden. Reta Caspar frei denken. 4 I 2010 89 Maja Strasser (Aber-)Glauben und Geschlecht Mehrere Studien bestätigen meine Alltagserfahrung: Frauen sind gläubiger als Männer – sie haben einen festeren Glauben, praktizieren ihn häufiger und setzen sich innerhalb ihrer Glaubensgemeinschaft mehr ein. Dabei ist gerade in religiösen Weltanschauungen ein reaktionäres Frauenbild sehr verbreitet. Carlos Ruiz Zafon formulierte in seinem religionskritischen Roman „Das Spiel des Engels“: „Grundpfeiler jeder organisierten Religion ist mit wenigen Ausnahmen die Unterwerfung, Unterdrückung und Entwertung der Frau innerhalb der Gruppe. Sie kann unter den Symbolen einen Ehrenplatz einnehmen, nicht jedoch in der Hierarchie. Und manchmal ist die Frau am Ende die Komplizin und Vollstreckerin ihrer eigenen Unterwerfung.“ Man könnte also meinen, dass ein säkulares Weltbild zumindest den Emanzipierten unter den Frauen entgegenkommen müsste. In sehr konservativen Kulturen sind Männer oft religiös aktiver als Frauen: Eine britische Studie der Psychologin Kate Loewenthal von der Royal Holloway University of London ergab, dass von 530 befragten Christen, Hindus, Juden und Muslimen bei den Nicht-Christen die Männer häufiger beteten, stärker glaubten und mehr ins religiöse Leben involviert waren. Dies dürfte mit kulturellen Einflüssen zusammenhängen. So ist im Islam und im Judentum die Rolle der Männer in religiösen Zeremonien weit wichtiger. Ausserdem dürfen Frauen während der Menstruation eine Moschee nicht betreten. In liberalen Gesellschaften hingegen sind deutlich weniger Männer als Frauen religiös. Auffällig ist, dass Esoterik bei Frauen deutlich mehr Zuspruch findet. Da der Unterschied zwischen Glauben und „Aberglauben“ hauptsächlich in der sozialen Akzeptanz liegt (des einen Glauben ist des anderen Aberglauben), ist anzunehmen, dass der Geschlechterunterschied in der Akzeptanz von Esoterik hauptsächlich in emotionalen Faktoren begründet ist, während bei Religiosität zusätzlich soziale Faktoren eine grosse Rolle spielen. Welchen Einfluss hat das Geschlecht? Soziale Faktoren In traditionalistischen Patriarchaten dienen die Kirchen den Männern zur Aufrechterhaltung des Machtgefälles zwischen den Geschlechtern, sodass dort die Männer religiöser sind als in egalitären Gesellschaften. Sozioökonomische Benachteiligung lässt auf ein besseres „Leben danach“ hoffen, sodass gerade benachteiligte Frauen oft sehr gläubig sind (Karl Marx’ Hypothese der Religion als „Opium des Volkes“, damit die Armen soziale Härte im „irdischen Jammertal“ erdulden, ohne aufzubegehren). In konservativen Gesellschaften sind Frauen oft weniger gebildet und hinterfragen überlieferte Weltanschauungen kaum. Sie sind abhängig von ihrem Umfeld und gehen kaum in Opposition gegen die Meinung ihrer Eltern, ihrer Ehemänner und gegen anerkannte gesellschaftliche Konventionen. In modernen Gesellschaften wird eine liberalere theologische Interpretation gelehrt, sodass Frauen sich damit identifizieren können, während für Männer der Nutzen einer liberalen Auslegung gering ist. In liberalen Gesellschaften können Skeptiker aufgrund des geringeren sozialen Drucks eher zu ihrer ungläubigen Haltung stehen, sodass emotionale Faktoren stärker zum Tragen kommen. Für Frauen ist mit Glauben und Kirchentätigkeit mehr an sozialem Status zu gewinnen als für Männer, welche eher über Politik oder Wirtschaft sozial aufsteigen. Vielen Frauen bedeutet das soziale Netz einer Glaubensgemeinde besonders viel. Die üblicherweise bestehende Frauenmehrheit in der gläubigen Basis, mit entsprechenden frauenspezifischen Aktivitäten, macht eine Teilnahme für Männer wenig attraktiv. Frauen übernehmen im Durchschnitt mehr Erziehungsaufgaben und sind somit mehr konfrontiert mit der Vermittlung von Werten an Kinder. Da säkulare Weltbilder wenig bekannt sind, wird in der Erziehung von Kindern besonders oft auf religiöse Weltanschauungen zurückgegriffen. Emotionale Faktoren Frauen tendieren dazu, persönliche Probleme eher mit anderen zu teilen und Hilfe von ausserhalb zu suchen. Frauen legen grösseren Wert darauf, dass ihnen der (Aber-)Glauben Hoffnung und Trost gibt. Männer gewichten rationale Gründe für eine Weltanschauung stärker. In den letzten Jahren wurde viel diskutiert, wie viele der zwischengeschlechtlichen Unterschiede angeboren sind. So argumentieren Bestseller-Autoren wie John Gray („Männer sind vom Mars, Frauen sind von der Venus“) und Louann Brizendine („Das weibliche Gehirn“, „Das männliche Gehirn“), dass die Gehirne anatomisch anders und hormonell so beeinflusst sind, dass die Geschlechter aus biologischen Gründen „anders ticken“. In der letzten Zeit wird jedoch der soziokulturelle Einfluss stärker gewichtet, zum Beispiel durch die Neurowissenschafterin Lise Eliot in ihrem Buch „Pink Brain, Blue Brain“. Untersuchungen zeigen zwar, dass zum Biespiel Mädchen ab dem Alter von vier Monaten mehr Blickkontakt mit Erwachsenen haben und dass Knaben von vier bis fünf Monaten an ein besseres räumliches Vorstellungsvermögen haben. Andererseits geht das Umfeld auf ein Mädchen anders zu als auf einen Knaben. So hat eine Studie gezeigt, dass ein Baby, welches als Mädchen ausfrei denken. 4 I 2010 9 Gefängnisseelsorge Bildung statt Religion In der Diskussion um die Leistungen der Landeskirchen für die Allgemeinheit wird unter anderem jeweils auch die Spital- und die Gefängnisseelsorge erwähnt. In der Spitalseelsorge verhelfen Datenschutz und Interventionen der FVS die Erkenntnis durchzusetzen, dass die VertreterInnen der Kirchen nur da PatientInnen besuchen, wo sie explizit erwünscht sind. Das lässt sich auf dem Spitaleintrittsformular auch dort vermerken, wo es noch nicht vorgesehen ist. In vielen Spitälern gibt es auch Freiwilligenorganisationen, die einsame PatientenInnen besuchen, sich mit ihnen unterhalten, ihnen etwas vorlesen, mit ihnen einen Spaziergang machen. In der Gefängnisseelsorge sieht das anders aus. Viele der Inhaftierten sind nicht Mitglied einer Landeskirche. Trotzdem wünschen sie den Besuch der Seelsorge. Grund dafür ist laut einem Bericht in der Reformierten Presse vom 10.9.2010: „Viele Insassen seien froh, dass sie überhaupt jemand von ausserhalb des Strafvollzugs besuche, sagt Andreas Pauli, Pfarrer in Bremgarten und Seelsorger in der Strafanstalt Lenzburg sowie in der Untersuchungshaft in Aarau.” Einzelhaft und Langeweile setzen den Menschen zu und entsprechend nehme die Religiosität von Menschen in der Haft zu. Das soll sich ändern. Schon seit vielen Jahren gibt es Initiativen für Bildungsangebote im Gefängnis. gegeben wird, von Versuchspersonen als schön und sozial wahrgenommen wird, als vermeintlicher Knabe hingegen als stark und unabhängig. Die Wahrheit, wie viele der zwischengeschlechtlichen Unterschiede biologisch und wie viele anerzogen sind („nature or nurture?”), wird irgendwo dazwischen liegen: Am ehesten sind gewisse Unterschiede angeboren, jedoch wird der soziokulturelle Einfluss auf das Gehirn, welches ja plastisch ist und in einem lebenslangen Lernprozess ständig neue Synapsen bildet, im Allgemeinen unterschätzt. Folgerungen aus freidenkerischer Sicht Gesellschaftlich kann Glaubensfreiheit nur über Chancengleichheit, qualitativ hochstehende Bildung (ohne weltanschauliche Vereinnahmung von Kindern) und Meinungsfreiheit erreicht werden, damit jede/r sich unabhängig, gut informiert und nicht aus einer sozioökonomischen Not heraus für oder gegen eine Weltanschauung entscheiden kann. Innerhalb der FVS-Mitglieder sind Frauen deutlich untervertreten (38 % Frauen, 62 % Männer; Einträge auf der Website „konfessionsfrei“: 20 % Frauen, 80 % Männer). Hier gilt es, den sozialen Aspekt (gesellige Anlässe, Krankenbesuche etc.) zu betonen. Ausserdem sollte die a-theistische Spiritualität bekannter gemacht werden, denn Atheismus wird zu oft als wissenschaftstechnische Rationalität wahrgenommen. Leider haben die Religionen den Begriff „Spiritualität“ vereinnahmt, deswegen wird Religiosität oft mit Spiritualität gleichgesetzt. Spiritus heisst Geist. Der Mensch, religiös oder nicht, hat einen Geist, im Sinne einer Gedankenund Gefühlswelt. Spiritualität bedeutet für mich persönlich: Achtung vor dem Leben, in seiner Verletzlichkeit, seiner ganzen Vielfalt und Komplexität Wertschätzung der Einzigartigkeit und Andersartigkeit jedes einzelnen Individuums Teilhaben an der Menschheit (als Mitglied der globalen Familie ebenso wie als Teil dieser Kultur, die sich über Jahrhunderte entwickelt hat) Staunen angesichts der unermesslichen Weite des Universums und der unvorstellbaren zeitlichen Dimension Beglückung durch Harmonie und Schönheit. Es gibt also eine diesseitige Spiritualität, ganz ohne Gott-Idee, ausserhalb jeglicher Religionen! Wenn wir diesen spirituellen Aspekt einer breiteren Öffentlichkeit bekannt machen, steigt die Attraktivität einer säkularen Weltanschauung auch für Frauen.  frei denken. 4 I 2010 „Auxilia Formation”: Individuelles Lernen im Gefängnis Seit mehr als 25 Jahren besteht in der Schweiz ein Verein, der individuelle Kurse in Strafanstalten anbietet. Die Auxilia-Idee der Weiterbildung hinter Gittern entstand Anfang des 20. Jahrhunderts in Frankreich. 1984 gründete die Französin Simone Payne die „Auxilia Formation Schweiz”. Heute stehen rund dreissig ehrenamtlich tätige Lehrerinnen und Lehrer im Einsatz. Sie unterrichten in 18 Strafanstalten der Kantone Bern, Genf, Neuenburg, Waadt und Wallis über 200 Inhaftierte. Für ihren Aufwand werden ihnen lediglich die Reisespesen vergütet. Das Bemühen von Auxilia wird etwa von Paul Loosli, dem Leiter des Regionalgefängnisses Thun, geschätzt und unterstützt. Bildung sei im Strafvollzug sehr wichtig, weil schulische Bildung „neue Perspektiven bieten und den Weg in ein straffreies Leben erleichtern können”. Bildung diene „unmittelbar dem Urzweck unseres Strafrechts, nämlich der Verhinderung weiterer Straftaten und der Resozialisierung der Täter”. www.auxilia-formation.ch SAH: Bildung im Strafvollzug Seit 2007 hat das Schweizerische Arbeiterhilfswerk zusammen mit der Drosos-Stiftung ein Pilotprojekt in acht Gefängnissen durchgeführt: Basisbildung soll es den Inhaftierten ermöglichen, ihre persönlichen Ressourcen und Fähigkeiten wahrzunehmen. Zudem können sie ihr Wissen erweitern und ihre Selbst- und Sozialkompetenzen erhöhen. Durch die erweiterten Handlungskompetenzen erleichtern sie sich die Wiedereingliederung in die Gesellschaft und erhöhen ihre Chancen bei der Integration in die Arbeitswelt. Die Kantone engagieren sich Ab 2011 wird das Projekt des SAH in eine feste Einrichtung überführt und aus öffentlichen Mitteln finanziert. Rund 6,5 Mio. Franken sollen in den nächsten fünf Jahren für den Aufbau von 155 Lerngruppen in 27 Anstalten der ganzen Schweiz investiert und damit Bildungsangebote für einen Drittel der Inhaftierten geschaffen werden. Der Unterricht findet in kleinen Gruppen während eines halben Tages pro Woche statt und wird von einer ausgebildeten Lehrperson erteilt. Ein weiterer Schritt der Verstaatlichung sozialer Aufgaben und Reta Caspar ein Schritt zu mehr Bildung statt Religion. www.sah-zs.ch 10 Maja Strasser Skepsis – ergebnisoffen denken Ein Skeptiker wägt widersprüchliche Argumente sorgfältig ab und ist ergebnisoffen, ohne ideologische Barrieren. Er akzeptiert eine eingehend geprüfte Theorie als bestmögliche Erklärung für einen Ausschnitt der Wirklichkeit, ist aber jederzeit bereit, seine Überzeugung zu revidieren, sollte sich die Beweislage ändern. Eine skeptische Haltung ist eine wissenschaftliche Haltung, frei von Absolutheitsansprüchen. Ein Leugner hingegen verschliesst die Augen vor Beweisen, welche seine festgefahrene Überzeugung erschüttern würden – wie die Menge in „des Kaisers neue Kleider”. Einer Leugnung liegt meist eine politische oder religiöse Ideologie zugrunde. Wahrscheinlichkeit verstehen Ob der durch die Industrialisierung verursachte Klimawandel, die Evolution, der Holocaust oder HIV als Ursache von AIDS geleugnet werden, die Mechanismen sind immer dieselben. Die Leugner sehen sich als mutige Kämpfer gegen eine Verschwörung der Wissenschaft/ Industrie/Atheisten/Bolschewisten. Dahinter steckt ein Gefühl der Ohnmacht und ein mangelndes Verständnis von Wissenschaft. Greg Poland, ein Impf-Forscher an der Mayo Clinic in Minnesota, nennt die Leugner „Innumeraten“, weil sie grundlegende Konzepte wie Wahrscheinlichkeit nicht verstehen. Ein einziges bewegendes Schicksal eines Kindes, welches nach einer Impfung autistisch wurde (was nicht heisst, dass dies eine Folge der Impfung war), zählt für Innumeraten viel mehr als alle Belege der Sicherheit dieses Impfstoffs. Junk Science Nicht zu unterschätzen ist der zunehmende, gut kaschierte Einfluss von Firmen und Ideologen über Thinktanks. Ein Beispiel ist „The Advancement of Sound Science Coalition“ (TASSC; Koalition für die Förderung vernünftiger Wissenschaft), welche 1993 durch den Tabakkonzern Philip Morris gegründet und reichlich finanziert wurde. Später kamen weitere Konzerne aus der Erdöl-, AKW- und Chemie-Industrie hinzu, und entsprechend wurden die Themen erweitert. Mit fehlerhaften Studien, verdrehten Zitaten und gekauften Wissenschaftern hatte TASSC zuerst „bewiesen“, dass Rauchen unschädlich sei, dann, dass der Klimawandel nicht durch den Menschen verursacht sei – bis die Geldgeber hinter TASSC enttarnt wurden. Nun macht das Folge-Unternehmen „Junk Science“ (MüllWissenschaft) die schmutzige Arbeit weiter. Dass mehr als 97 % von 1372 befragten Klimaforschern von der These des Weltklimarats IPPC überzeugt sind, dass der Mensch die Hauptverantwortung für die Klimaerwärmung trage, beweist in den Augen der Leugner nur die angebliche Verschwörung. Antiintellektualismus Dan Kahan von der Yale-Universität hat gezeigt, dass sozial Konservative, welche gegen straffreie Schwangerschaftsabbrüche oder Homosexuellen-Ehen sind, besonders oft den durch Menschen verursachten Klimawandel leugnen (Nature, vol 436, p 296). So setzen sich Kreationisten in den USA zunehmend dafür ein, in den öffentlichen Schulen zu unterrichten, dass die These des Weltklimarats „kontrovers“ sei. Mit prominenten Evangelikalen wie Sarah Palin hat diese ultrakonservative, antiintellektuelle Bewegung erheblich Aufwind bekommen. Wissenschaftsbetrug Im Jahr 2001 liess mich eine Studie der renommierten Columbia University im Fachheft „Journal of Reproductive Medicine“ aufhorchen. Sie hatte gezeigt, dass Südkoreanerinnen, welche eine In-vitro-Fertilisation erhielten, doppelt so häufig schwanger wurden, wenn US-amerikanische Christen für sie beteten. Dabei wussten die Frauen nicht einmal, dass für sie gebetet worden war, und die Beter hatten nur Fotos vom Objekt ihrer Gebete erhalten, ohne Namensangaben. Es wurde rasch klar, dass diese Ergebnisse fehlerhaft und unhaltbar waren. Hinzu kam, dass einer der angeblichen Hauptautoren daran nur am Rande beteiligt gewesen war und sich nach der Veröffentlichung von der Studie distanzierte. Und wie wenn das nicht genug wäre, war der dritte Autor ein Jurist ohne medizinische Vorbildung, dafür mit einem Abschluss in Parapsychologie und einer langjährigen kriminellen Vorgeschichte, inklusive einer mehrjährigen Haftstrafe wegen Betrugs. Skeptisch – nicht beliebig Hätte diese Studie einer kritischen Prüfung standgehalten und würden andere methodisch korrekte Studien ebenfalls zeigen, dass Gebete wirksam wären, wäre ich bereit, mein Weltbild zu revidieren. Ist das beliebig? Nein. Beliebig ist, wenn man etwas für die Wahrheit hält, weil viele Leute dies schon sehr lange für die Wahrheit halten oder weil einige Autoritätspersonen dies glauben. Wahrscheinlichkeit künftiger Erkenntnisse Wissenschaft erlaubt eine Berechnung der Wahrscheinlichkeit zukünftiger Entdeckungen oder Ereignisse. So konnte der griechische Mathematiker Thales von Milet voraussagen, dass sich am 28. Mai 585 v. u. Z. eine Sonnenfinsternis ereignen würde. Ein anderes Beispiel sind die „fehlenden Bindeglieder“ (Missing Links) der Evolutionsbiologie. Dabei handelt es sich um bis zum Zeitpunkt der Entdeckung fehlende Mosaikformen, welche Merkmale von zwei unterschiedlichen Gruppen (z. B. Dinosaurier und Vogel: der im 19. Jahrhundert entdeckte Archäopteryx) aufweisen. >> 11 frei denken. 4 I 2010 Literatur I 11 Wie viel Moral verträgt der Mensch? Franz M. Wuketits (2010) ISBN-10: 3579067540 Freiheit im Islam Ein Vontobel-Heft von Necla Kelek (hpd) Angesichts der Krisen in den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Bereichen konstatiert man einen allgemeinen Werteverfall. Was soll darauf die Antwort sein? Ein Mehr an Moral, fordern die meisten Betrachter. Ein Weniger an Moral, postuliert Franz M. Wuketits. Der Biowissenschaftler und Philosoph nimmt in seinem neusten Buch „Wie viel Moral verträgt der Mensch? Eine Provokation“ eine andere Perspektive als sdie Mehrheit der Stimmen in der Debatte über Gier in der Finanzkrise oder Korruption in der Politik ein. Dabei argumentiert er im Sinne der modernen Evolutionstheorie, die den Menschen als von Natur aus weder „böse“ noch „gut“ ansieht. Dessen Handlungen müssten im Lichte seines biologischen Imperativs ganz realistisch betrachtet werden. Aus einer solchen Sicht ergibt sich für Wuketits: „Unsere Moralfähigkeit ist begrenzt, jedes idealistische Werte- und Normensystem ist zum Scheitern verurteilt. Dennoch hat [...] das ‚Gute’ eine Chance, wenn wir unsere Gesellschaften an die Bedürfnisse des Individuums anpassen (und nicht umgekehrt).“ 11 >> Skepsis – ergebnisoffen denken Kreationisten verwenden Missing Links oft als Gegenargument zur Evolutionstheorie. Dabei konnten über 1000 ehemalige Missing Links zwischenzeitlich gefunden werden und haben die Evolutionstheorie überzeugend belegt. Astrologie, Kreationismus oder das Leugnen von AIDS ermöglichen keinerlei solche wissenschaftlichen Prognosen, weil ihnen jeglicher Erklärungsgehalt fehlt. Leugnen – die Strategie der Angst Wir alle kennen aus eigener Erfahrung die Bestätigungstendenz („confirmation bias”): was unsere vorgefasste Meinung untermauert, nehmen wir weit stärker wahr als alles, was dagegen spricht. Deswegen ist den Leugnern mit soliden Argumenten nicht beizukommen. Deren Ängste angesichts einer zunehmend komplexen Welt und einer verwirrenden Vielfalt von Ansichten müssen ernst genommen werden. Wir sollten die Leugner nicht mit Argumenten „erschlagen“, sondern vermehrt auch auf einer emotionalen Ebene abholen. In den Schulen sollte gelehrt werden, Wissenschaft von Pseudowissenschaft und Ideologie zu unterscheiden. Die Gesellschaft muss akzeptieren, dass es in der Schweiz nun mal nicht 7 Millionen Experten gibt, dass es für fundierte Entscheidungen Expertenwissen braucht, und dass bei komplexen Sachverhalten Fachleute zu unterschiedlichen Empfehlungen kommen, ohne dass die eine Position falsch sein muss. Basiswissen unerlässlich Wissenschaft ist der beste Weg, die Umwelt und ihre Gefahren zu verstehen und darauf zu reagieren. Ein verbreitetes Basiswissen darüber ist die Grundlage für vernünftige politische Entscheidungen, wissenschaftlichen und sozialen Fortschritt, Wohlstand und Sicherheit. Leugner unterminieren diese Entwicklung erfolgreich und sollten entsprechend ernst genommen werden.  frei denken. 4 I 2010 Die deutsch-türkische Autorin, Essayistin und Dozentin Necla Kelek fasst in der rund 70-seitigen Broschüre in einfacher, verständlicher und prägnanter Sprache zuerst die wichtigsten Aspekte ihrer jahrelangen Forschungstätigkeit über Mechanismen der Migration aus der Türkei, über Zwangsehen und insbesondere über die Frauenaspekte zusammen, bevor sie sich dem Thema „Islam“ widmet. Dabei stellt sie klar, dass sie der Islam „als soziale, als lebensbestimmende und politische Realität“ interessiert, nicht aber Glaubensinhalte im engeren Sinn. Aus dieser Perspektive ist der Islam für Kelek in erster Linie „das, was in seinem Namen gelebt wird“. Für gläubige Muslime, so Kelek, bestehe Freiheit in der bewussten Entscheidung, den Vorschriften des Islams zu gehorchen. „Nicht die Rechte eines Individuums (auch auf Freiheit von Religion) bestimmen die Rolle muslimischer Mitbürger in unseren Gesellschaften, sondern ihre Pflichten als Gläubige.“ Der Islam, so Kelek, gestattet seinen Gläubigen sehr wenig Freiheit; schon gar nicht die Grundfreiheit, sich aus dem Glaubenssystem zu verabschieden. Welten trennten das westlich-liberale Verständnis von individueller Autonomie und Lebensgestaltung von den strengen islamischen Regeln, die den Gläubigen auferlegt würden. Hart ins Gericht geht Kelek schliesslich mit den islamischen Menschenrechtserklärungen; diese stellten nicht nur eine „Absage an die Menschenrechte“, sondern auch eine mittelbare Rechtfertigung von Selbstjustiz dar. Die Publikation der Vontobel-Schriftenreihe Nr. 1950 ist unentgeltlich zu beziehen bei der Vontobel-Stiftung, Tödistrasse 17, 8002 Zürich. Fax 044 283 58 65. schriftenreihe@vontobel.ch. Paranormale Phänomene skeptisch betrachtet Bernd Harder (2010) ISBN: 978-3-426-78305-4 Es gibt eine Fülle an Phänomenen, die wir als mysteriös und unerklärlich betrachten, die aber den meisten von uns bekannt sind. Beispielsweise die Story, dass die Uhr in irgendeines Opas Sterbezimmer zum Todeszeitpunkt stehen geblieben ist oder dass es einen Kater im US-Bundesstaat Rhode Island gibt, Oscar ist sein Name, der den Tod von Patienten in einem Krankenhaus vorhersehen kann und das kenntlich macht, indem er sich ca. zwei Stunden vor dem Tod des Patienten sich zu ihm gesellt. Auch etliche UFO-Sichtungen und nächtliche Besuche von Geistern und Aliens sind Phänomene, von denen zahlreich auf der ganzen Welt berichtet wird. Da stellt sich doch die berechtigte Frage, ob es wirklich übernatürliche Dinge gibt, die die Wissenschaft einfach nicht erklären kann ... oder was sonst hinter den Phänomenen steckt, was wir mit dem gesunden Menschenverstand nachvollziehen können. Autor Bernd Harder, der sich bei der „Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften“ (GWUP) als Vorstandsmitglied sowie als Chefreporter des GWUP-Magazins „Skeptiker“ engagiert, geht den Ursachen solcher paranormaler Phänomene skeptisch auf den Grund. 12 I Europa Kt. LU: Theologische Fakultät wackelt Der Rektor der Uni Luzern will eine Gesundheitsfakultät. Bei den Parteien stösst dies auf Interesse, dafür soll allenfalls die Theologische Fakultät aufgelöst werden. Staat – Kirche kultativ bezeichnet, und es kann auf Seelsorge verzichtet werden. Kt. TG: „Islamunterricht” gestartet Seit Beginn des neuen Schuljahres besuchen in Kreuzlingen 24 ViertklässlerInnen den auf Deutsch erteilten Unterricht, davon neun Mädchen (ohne Kopftuch). Lehrperson ist der Imam der albanischen Moschee. Die Beratungsstelle Schule und Religion wird das Projekt wissenschaftlich begleiten. Auf www.viuk.ch wird informiert über das Konzept und die Finanzierung des Unterrichts. Kt. TI: Religionsgeschichte für alle? Die Tessiner Freidenker haben in einer Pressemitteilung scharfe Kritik geübt an der Art und Weise, wie das neue obligatorische Fach „Religionsgeschichte” in einigen Abteilungen der Sekundarschule versuchsweise eingeführt worden ist. Sie hatten sich bereits früher klar gegen das neue Fach ausgesprochen und darauf hingewiesen, dass Religion als Phänomen ohne weiteres innerhalb der bereits existierenden Fächer abgehandelt werden kann. Kt. ZG: Wie gemeinnützig sind die Reformierten? Die Reformierten verlangen neu von Konfessionsfreien einen Kostenbeitrag für den Religionsunterricht. Die Landeskirchen streichen gerne ihre Gemeinnützigkeit hervor, wenn es um die Verteidigung ihrer angestammten Privilegien geht. Es mag erstaunen, dass Zuger Konfessionsfreie (2000: 10 Prozent) ihre Kinder in grosser Zahl in den reformierten Religionsunterricht schicken. Aber: Im Kanton Zug bezahlen auch juristische Personen, also Firmen, Steuern an die Landeskirchen, unabhängig davon, welcher Glaubensrichtung Inhaber, Angestellte und Besitzer angehören. 2003 betrug ihr Anteil bereits rund 40 Prozent am gesamten Kirchensteuerertrag. Zudem sponsert die Allgemeinheit die Institution Kirche durch gewichtige Steuerbefreiungen, Zuschüsse an Gebäudesanierungen, Kostenbeteiligungen bei Veranstaltungen etc. Das Argument, Konfessionsfreie profitierten von Dienstleistungen, die sie nicht mitfinanzierten, ist daher schlicht nicht statthaft. Die Frage könnte sich ab 2012/13 entschärfen: Bis dann soll in allen Primarklassen des Kantons das neue obligatorische Fach Ethik und Religion eingeführt sein. Es bleibt zu hoffen, dass der Stoff der vielfältigen, zunehmend säkular geprägten Erfahrungswelt der Kinder Rechnung trägt und die weltanschauliche Neutralität der ga öffentlichen Schule gewahrt wird. Burkaverbot? Frankreich Das französische Parlament hat nach monatelangen Diskussionen ein landesweites Burkaverbot beschlossen. Es soll 2011 in Kraft treten. Belgien In Belgien beschloss die Abgeordnetenkammer Ende April als erste Volksvertretung in Europa ein Verbot der Vollverschleierung in der Öffentlichkeit. Weil danach Parlamentswahlen stattfanden, muss das Verbot nun wieder aufgenommen werden und dann noch den Senat passieren. Dänemark Ein Verbot wurde nicht verabschiedet. Die Regierung überlässt es vielmehr Schulen, Universitäten, Unternehmen und Behörden, entsprechende interne Regeln zu erlassen. Deutschland Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts TNS Emnid sind 61 Prozent der Deutschen dafür, die Ganzkörperverschleierung zu verbieten. Grossbritannien Im Unterhaus soll im Dezember ein Gesetzesentwurf für ein Verschleierungsverbot debattiert werden. Eine Mehrheit dürfte gegen den Text sein, den ein konservativer Abgeordneter einbrachte. Italien Ein Gesetz aus dem Jahr 1975 verbietet es, sich an öffentlichen Orten das Gesicht zu vermummen. Einige Bürgermeister der Partei Lega Nord haben örtliche Verbote für Burka, Nikab und Burkini (Badeanzug) erlassen. Die Lega Nord hat kürzlich auch im nationalen Parlament ein Anti-BurkaGesetz eingebracht. Österreich Die Frauenministerin hat sich für ein Burkaverbot in öffentlichen Gebäuden ausgesprochen. Sie fordert allerdings vorab eine Debatte darüber, auch in der Regierung. Schweiz Mit einer Standesinitiative fordert der Kanton Aargau ein nationales Verhüllungsverbot. Spanien Vor allem in Katalonien gibt es örtliche Verbote für das Tragen von Ganzkörperschleiern in öffentlichen Gebäuden. Die Regierung in Madrid prüft derzeit, ob sie ein solches Verbot in ein geplantes Gesetz zur „Religionsfreiheit” aufnehmen soll. Abgesehen davon, dass die grundsätzliche Frage gestellt werden muss, was an der Theologie wissenschaftlich ist und was sie an der Hochschule überhaupt zu suchen hat, ist ihre Ausstattung schweizweit gemessen an den Studierendenzahlen extrem zu hoch. Angesichts der abnehmenden Bedeutung der christlichen Theologie für die Gesellschaft muss die Verwendung der Steuergelder überprüft werden. Eine Zusammenlegung der Fakultäten – wie es auch in anderen Studienfächern geschehen ist – ist aus finanzieller Sicht unausweichlich. Noch besser wäre eine einfache Auflösung aller Theologischen Fakultäten: Was an historischer Forschung an den Fakultäten gemacht wird, kann von den Historikern übernommen werden, Religionswissenschaft ebenfalls, oder von den Soziologen/ Psychologen etc. Dieser Prozess hat zum Beispiel in Bern schon begonnen: Die Religionswissenschaft – sie befasst sich mit Religion als gesellschaftliches Phänomen – gehört nicht mehr zur Theologischen Fakultät sondern zur Historischen. In Basel gibt es ein bifakultäres Departement Religionswissenschaft. ga Kt. SG: Staatliche Religionslobby Seit 2000 gibt es eine Ethikgruppe des Kantonsrates. Ihr gehören rund 30 von 120 KantonsrätInnen an. Gemäss Statut prüft sie Sachvorlagen und politische Fragen aller Art unter dem Blickwinkel der Ethik, namentlich der christlichen Ethik. Sie sieht sich als Forum für die Meinungsbildung der Mitglieder, die sich dann in den Fraktionen und Kommissionen und im Kantonsrat gezielt für Anliegen der Ethik einsetzen. Im August 2010 schlug die Ethikgruppe dem Erziehungsrat vor, seine Empfehlung für ein Kopftuchverbot an Schulen mit den Muslim-Organisationen zu diskutieren. Mit dieser öffentlichen Verlautbarung über das Kopftuchverbot überschreitet die Ethikgruppe ihr statutarisches Ziel. Sie erhebt sich zum eigenständigen Politikberatungsgremium und wird in ihrer einseitig christlichen Ausrichtung zur staatlich finanzierten Religionslobby. rc Kt. SO: Spitaleintrittsformular geändert Auf Intervention der FVS-Geschäftsstelle hat das kantonale Bürgerspital sein Eintrittsformular geändert. Neu ist dort die Rubrik „Konfession” fa- frei denken. 4 I 2010 Kantone: Staat – Kirche I 13 Schule – Religion 13 Kanton Wallis Im Auge der katholischen Gesellschaft Valentin Abgottspon, SektionspräsiKt. VS: Gesetz über das öffentliche dent der Walliser Freidenker und LehUnterrichtswesen (1962) rer an der Oberstufe in der Gemeinde Art. 3 Allgemeine Aufgabe der Schule Stalden, verlangt die Entfernung Die allgemeine Aufgabe der Walliser von Kruzifixen aus Schulzimmern. Schule besteht darin, die Familie bei der Egon Furrer, CVP-Grossrat und Erziehung und Ausbildung der Jugend Gemeindepräsident von Stalden, zu unterstützen. hat daraufhin im Grossen Rat in Zu diesem Zwecke erstrebt sie die Zusameiner Interpellation auf Artikel 3 menarbeit mit den öffentlich-rechtlich anerkannten Kirchen. des Gesetzes über das öffentliche Sie bemüht sich, die sittlichen, geistigen Unterrichtswesen verwiesen. Demund körperlichen Anlagen des Schülers nach ist die Schule verantwortlich, zur Entfaltung zu bringen und ihn auf „den Schüler auf seine Aufgabe als seine Aufgabe als Mensch und Christ Mensch und Christ vorzubereiten”. vorzubereiten. Staatsrat Claude Roch wies in seiner Antwort auf den Lehrauftrag hin, welcher zu erfüllen sei, und gab den Ball an die Gemeinde Stalden zurück. Grossrat Furrer ist mit dieser Antwort unzufrieden, er will sich weitere Schritte überlegen. Er ist der Meinung, dass die betreffende Lehrperson den Lehrauftrag nicht erfüllt und somit die Konsequenzen tragen müsse. Kruzifixe aus den Schulzimmern zu entfernen, stehe jedenfalls nicht zur Diskussion. Aktueller Stand auf www.frei-denken.ch. NEU: Die Sektion Wallis bietet Formulare für verschiedene Anliegen an. Sie sind im Internet oder beim Präsidenten erhältlich: Kirchenaustritt Der Vorstand der Walliser Sektion hat viele Anfragen zum Kirchenaustritt im Wallis erhalten. Die Sektion bietet neu ein Austrittsformular an, das auf die Walliser Gepflogenheiten zugeschnitten ist. Kultussteuerrückforderung Ein Formular, um künftig den persönlichen Anteil am Kultusbeitrag einer Walliser Gemeinde einfordern zu können. Trennung Schule und Religion Ein Formular, mit dem die einzelnen Eltern ihre Reklamationen direkt an die entsprechenden staatlichen Departemente richten können. Friedhofsreglement In einigen Walliser Gemeinden steht noch im Friedhofsreglement, dass alle dem christlichen Glauben widersprechenden Handlungen, Zeichen und Symbole verboten sind, oder ausschliesslich Kreuze für die Grabgestaltung erlaubt, um ein einheitliches Bild zu gewährleisten. Viele grössere Gemeinden haben ihre Reglemente bereits angepasst. Eine schriftliche Forderung zur Anpassung des Friedhofsreglements soll den Prozess unterstützen. Christliche Mission Gideons: Bibeln verteilen an Schulen Die FVS hat mit einer Medienmitteilung protestiert gegen die Verteilung von Gideon-Bibeln an Schaffhauser Schulen mit Empfehlung der Schaffhauser Kantonsregierung. Gideons „Die Gideons sind der verlängerte Missionsarm der Kirchen und Gemeinden: Ihr einziges Ziel ist, Männer, Frauen und Jugendliche für Jesus Christus zu gewinnen durch Zusammenarbeit, persönliches Zeugnis und durch das Verteilen der Bibel – Gottes Wort – dort, wo sich die Ströme des menschlichen Lebens begegnen.” Gideon nutzt gezielt Abhängigkeitsverhältnisse an Schulen, Pflegeinstitutionen und Gefängnissen aus. Die dortigen Hausverantwortlichen machen sich mit einer Zulassung zu Handlangern der Mission. Bildung, nicht Traditionsvermittlung Schulen sind Bildungsinstitutionen. Sie haben einen Bildungsauftrag, das heisst sie vermitteln nicht Traditionen, sondern sollen die jungen Menschen dazu befähigen, selbstbestimmt mit Traditionen umzugehen. frei denken. 4 I 2010 Die FVS verlangt, dass die Erziehungsdirektionen und Schulleitungen ihre Verantwortung wahrnehmen und das Verteilen solcher und ähnlicher Schriften an den Schulen und um die Schulen strikt unterbinden, weil dies sich nicht mit der gebotenen weltanschaulichen Neutralität der Volksschule verträgt. Finanzierung von Gideon Ein Interview mit dem Gideon-Leiter (2003) zeigt, mit welcher Penetranz diese Leute auftreten und dass ihre Bibeln auch von den Landeskirchen mitfinanziert werden – wer weiss, vielleicht auch mit Steuergeldern von Firmen, von Konfessionsfreien, von Andersgläubigen. Haltung der Erziehungsdirektionen Die FVS hat Ende August 2010 die kantonalen Erziehungsdirektionen angefragt, ob von ihrer Seite eine Empfehlung abgegeben wurden. Stand am 20. September 2010: Keine Empfehlung zugunsten der Gideons abgegeben haben die Kantone AG, AR, BL, BS, FR, GR, LU, SG, SO, SZ, UR, VS, ZG, ZH. Empfehlungen zugunsten der Gideons abgegeben haben die Kantone SH und TG. Die Empfehlungen wurden 2010 erneuert. Im Kanton BE gibt es eine Empfehlung aus dem Jahr 1970, die derzeit aufgrund der Anfrage der FVS direktionsintern hinterfragt wird. „Schutzraum Schule” erweitern Im August 2010 entschied das Bezirksgericht Uster, das Verteilen von Bibeln vor einem Schulhaus sei eine „nicht über den Gemeingebrauch hinausgehende“ Handlung im öffentlichen Raum und deshalb bewilligungsfrei. Aber der Richter ermahnte die Bibelverteiler, sich jeweils gut zu überlegen, wo sie verteilen. In der Stadt Zürich etwa ist gemäss Hausordnung in den Schulanlagen der Aushang und die Verteilung von Werbeschriften und sonstigen Werbematerialien für kommerzielle, parteipolitische und konfessionelle Zwecke verboten. Solche Verbote sollten überall erlassen werden und auch auf den Zugangsbereich der Schule ausgedehnt werden, wo die Gideons gerne auf die Reta Caspar SchülerInnen warten. 14 Kurt Schmid Entwicklungshilfe – Segen oder Fluch? Möchten wir nicht alle Gutmenschen sein? Ein Mittel, es zu werden, ist es, für die Entwicklungshilfe zu spenden. Spenden an „Brot für Brüder“, an die „Evangelische Allianz“ oder, noch besser, mit einer Patenschaft bei World Vision. Wenn wir das tun, sind wir in bester Gesellschaft. Gibt doch die OECD pro Jahr über 150 Milliarden Franken für Entwicklungszusammenarbeit aus, wie es Neudeutsch heisst. Die Schweiz alleine über 2 Milliarden Franken. Hilfe ist tödlich Nun schnell, tun Sie etwas Gutes, tätigen Sie eine Spende! Wo? Spielt eigentlich keine Rolle, egal wo Sie spenden, Sie machen das Falsche! Polemik? Nein, die internationale Staatengemeinschaft hat im Jahr 2000 mit der Millennium-Deklaration beschlossen, die Armut bis 2015 zu halbieren. Sind wir auf gutem Weg, das Ziel zu erreichen? Nein, aktuell leben über 2 Milliarden Frauen, Männer und Kinder unter dem Existenzminimum, alle ca. drei Sekunden stirbt ein Kind an Hunger. Warum? Weil wir zu wenig spenden? „Spenden nützen nichts, aber schaden viel.” Das sagt nicht irgendwer, sondern die Ökonomin Dambisa Moyo in ihrem Buch „Dead Aid“ (2009). Sie schreibt, „Entwicklungshilfe macht Armut zum Dauerzustand“. Ebenso kritisiert die Afrikanerin Axelle Kabou in ihrem Buch „Weder arm noch ohnmächtig“(1993, 3. Auflage 2009), am Elend sei nicht zuletzt die Entwicklungshilfe schuld. Afrikanische Intellektuelle wie Andrew Mwenda schreiben: „Die Hilfe untergräbt die Entwicklung eines unbestechlichen und den Interessen der Bevölkerung dienenden Staatsapparates“, der Ökonom James Shikwati: „Entwicklungshilfe hilft Tyrannen bei der Unterdrückung.“ Fairer Handel statt Almosen Entwicklungshilfe raubt Afrikas Würde, Afrika braucht Unterstützung, aber keine Almosen. Die ausgestreckte Hand ist das Symbol des Kontinents. Das Geben und Nehmen festigt die Abhängigkeit Afrikas. Es missachtet die banale Erkenntnis, dass Entwicklung immer nur das kann, was Menschen und Gesellschaften für ihr Fortkommen selber leisten. Das Gleiche gilt für Tausende gescheiterte Entwicklungsprojekte, die nicht mit null zu Buche schlugen, sondern mit einem Minus. Erträge aus sagenhaften Bodenschätzen erreichen nicht die Menschen in Form von mehr Wohlstand und Bildung, sondern fliessen in korrupte Taschen und finanzieren Kriege gegen die eigene Bevölkerung. Unzählige Europäer und US-Amerikaner profitieren von dieser Verwaltung der Armut, denn wenn sie erfolgreich wären, würden sie ihren Job verlieren. Afrika braucht einen fairen Handel und nicht Almosen.Das ist das eine, das andere ist das Bevölkerungswachstum. Bevölkerungswachstum – ein Tabu In Afrika lebten 1950 rund 200 Millionen Menschen, 2050 werden es über 2 Milliarden sein. Beispiel Angola – im Jahr 2005: 16.3 Mio. Einwohner, 2050: 42.7Mio! Es gibt noch viele Länder mit einer ähnlichen Bevölkerungsentwicklung. Wir sind somit wieder bei der Entwicklungshilfe. Ja, Afrika braucht Hilfe! Hilfe, die nicht länger duldet, dass religiöse Missionare und Entwicklungshelfer den Menschen erzählen, Vermehrung sei Gottes Wille. Ein Verteilungsproblem? Nennen Sie mir ein Hilfswerk, eine Regierung, eine multinationale Organisation (Green Peace, WWF), die sich wirklich für Familienplanung einsetzt. Sie werden keine finden. Das Gegenteil ist der Fall. Die Weltbevölkerung nimmt jeden Tag netto um rund 200’000 Menschen zu. 200’000 Menschen, die Essen, sauberes Wasser, ein Einkommen und Bildung brauchen. Und was hören wir? Das Ganze sei nur eine Frage der gerechten Verteilung. Mit einer gerechten Verteilung und Fleischverzicht könnten wir 13 bis 14 Milliarden Menschen ernähren. Was dann? Was geschieht mit denen, die dann noch geboren werden und nach Nahrung und sauberem Wasser schreien, das es längst nicht mehr gibt? Sind wir gute Menschen, wenn wir für Entwicklungsprojekte spenden? Nein, wir helfen zu töten. Wenn wir es nicht schaffen, diesen Teufelskreis zu durchbrechen, dulden wir mindestens, dass weiter an Hunger gestorben wird. Wir helfen dem Elend, nicht den Menschen, bis wir begreifen, dass kein Mensch mehr geboren werden darf, für den nicht genügend Nahrung, genügend sauberes Wasser und ein anständiger Platz zum Leben vorhanden ist. Hören wir auf, Symptome zu bewirtschaften, setzen wir alles daran, dass kein Kind mehr an Hunger und Elend sterben muss, wir sind es ihnen schuldig!  Nothilfe ohne Religion Ob Haiti, Pakistan oder Kongo – in Katastrophen und Konflikten ist es uns allen ein Bedürfnis, etwas zur Linderung beizutragen. Aber welcher Organisation spenden? Viele international tätige Hilfswerke haben einen religiösen Hintergrund und verfolgen auch ein missionarisches Ziel. Wenn die „Glückskette” sammelt, spenden Private, Firmen und auch viele Kantone und Gemeinden aus Steuergeldern. Die „Glückskette” verteilt dann das Geld an ihre 31 Partner. 10 davon sind explizit christliche Werke, darunter die grossen kirchlichen HEKS und Caritas. Weltweit empfehlen deshalb FreidenkerInnen, direkt an dezidiert nichtreligiöse Hilfswerke zu spenden: Ärzte ohne Grenzen  Rotes Kreuz  Terre des Hommes Unicef. Mission/Entwicklungshilfe – Segen oder Fluch? Podiumsdiskussion in Winterthur Donnerstag, 25. November 2010, 20:00 Uhr Alte Kaserne, Technikumstrasse 8 Es diskutieren: Niklaus Meier Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Missionen Dudo Erny Autor von „Die Grünschwätzer” Angefragt: VertreterIn des Club of Rome und von WWF, Amnesty International o. ä. Organisation: Winterthurer Freidenker frei denken. 4 I 2010 Agenda Brainbus: Das Gehirn und seinen Funktionen 28.09. bis 02.10.: 05.10. bis 06.10.: 07.10. bis 08.10.: 11.10. bis 12.10.: 14.10. bis 16.10.: 18.10. bis 20.10.: 21.10. bis 22.10.: 25.10. bis 26.10.: 28.10. bis 29.10.: 30.10. bis 30.10.: 31.10. bis 01.11.: 04.11. bis 06.11.: 17.11. bis 19.11.: I 15 Basel Ab 15. Oktober freitags, 19:00 ohne letzten Freitag des Monats „Geschichten vom Ursprung des Lebens” von Richard Dawkins. Leitung: G. Rudolf Jeden letzten Freitag im Monat 19:00 Genf, Uni-Mail Pully, Gymnase de Chamblandes Lausanne, Place Saint-François Crissier Yverdon, Place Pestalozzi Neuenburg, Place des Halles Schwyz, Hofmatt Chur, Theaterplatz Zug, Einkaufscenter Metalli Kriens, Pilatusmarkt Zürich, Science City / ETH Hönggerberg Sion Zürich Oerlikon, Schulhaus Im Birch Restaurant Antalya Leonhardsgraben 8 Restaurant Spillmann Eisengasse 1 Freie Zusammenkunft 31.12.2010 nur nach Absprache: 079 391 72 45 Samstag, 6. November 15:00 NWS-Jahresfeier Alle sind herzlich zu Unterhaltung, Musik und Tanz eingeladen. Rest. zum Rebhaus Riehentorstr. 11 Bern Jeden zweiten Montag im Monat 15:00 Seniorentreff Montag, 11.10., 22.11. 19:00 Freidenkerhaus Weissensteinstr. 49B Restaurant National Hirschengraben 24 Bärenplatz Abendtreff Sektionen Solothurn/Grenchen Standaktion 28. August 2010 Um 6.30 Uhr begann die Standaktion der Sektion Solothurn/ Grenchen auf dem Markt in Solothurn. Schnell wurden Tisch und Bank aufgestellt und mit einem Zelt überdacht und Werbematerial und Speckzopf auf dem Tisch verteilt. Um 7.30 Uhr war alles bereit. Unsere Lage beim roten Turm war strategisch günstig. Solothurn ist Bischofsitz – im Hintergrund thronte die St. Ursen Kathedrale über der Szenerie. Unmissverständlich wird einem in Erinnerung gerufen, wer hier über Jahrhunderte das Sagen hatte. Grenchner, Leuziger, Bettlacher, Selzacher und Lommiswiler sind aus unseren Bauern- und Arbeiterdörfern herbeigeeilt, um uns und den Verein an diesem doch recht kühlen Spätsommertag den Solothurnern näherzubringen. Interessant war es den ganzen Morgen hindurch. Mit Verwunderung nahmen wir die Kommentare eines älteren Paares entgegen, welche bekundeten, dass man eigentlich schon Sympathien für die Sache hege, aber noch nicht beigetreten sei, weil in Solothurn ein entsprechender Ableger fehlen würde. Die Grenchner hätten ja schon so was, aber als Solothurner in einem Grenchner Verein mitzumachen, das gehe ja nun wirklich nicht. So sind sie halt, die Solothurner, man muss sie einfach lieb haben. Nach der Halbzeit erhielten wir Verstärkung aus der Sektion Bern: Daniel Aellig, Michael Suter, Andreas Lamanda und seine Frau Franziska halfen mit grossem Elan, das Informationsmaterial an die SolothurnerInnen zu bringen. Herzlichen Dank allen, die sich an dieser Aktion beteiligt haben. Stefan Mauerhofer Präsident Sektion Solothurn/Grenchen Samstag, 6. November Infostand Infos an Berner Mitglieder folgen. Sonntag, 5. Dezember Jahresendanlass Infos an Berner Mitglieder folgen. Mittelland Samstag, 27. November 14:30 Freie Zusammenkunft Restaurant Kolping Ringstr. 27, Olten Schaffhausen Jeden Samstag 10:00–11:00 Freidenkerstamm Café CoopCity Solothurn/Grenchen Samstag, 16. Oktober 10:00 Führung am Anthropologischen Institut Uni Zürich Winterthurerstr. 190 St. Gallen Herbsthöck Samstag, 20. November 15:00 Dienstag, 14. Dezember 19:00 Seerestaurant Rorschach Restaurant Dufour Bahnhofstrasse 19 Wie entstehen Religionen? Referat und Diskussionsleitung: R. Schacher Wallis/Valais Abendhock Freitag, 8.10., 12.11., 14.12. 19:00 Jeudi, 21.10., 18.11., 16.12. 19:00 Restaurant Jäger Visp Ferme Asile Sion Café Laïc Winterthur Donnerstag, 25. November 20:00 Mission/Entwicklungshilfe – Segen oder Fluch? Podiumsdiskussion Samstag, 27. November ab 11:00 Alte Kaserne Technikumstr. 8 Gatterhütte Eschenberg Liechterfäscht Anmeldung bei winterthur@frei-denken.ch Zentralschweiz Montag, 1. November 19:00 Private Filmvorführung Mittwoch, 8. Dezember 19:00 Goldau Details auf www.freidenker-zentralschweiz.ch Jahresendtreffen Restaurant La Piazza Goldau Zürich Montag, 11.10., 8.11. 14:30 Nachmittagstreff FreidenkerInnen treffen und kennenlernen 19.10, 17.11., 21.12. 20:00–22:30 Restaurant Schweighof Schweighofstr. 232 Bistro emo Predigerplatz 38/40 Kleinkunstbühne qbus Braschlergasse 10 Abendtreff Mittwoch, 24. November 19:30 Gespräch: Sterbehilfe und Palliativpflege Heidi Vogt Däniker, Freitodhilfe Exit nahe Bahnhof Uster Andreas Weber, Co-Präsident palliative zh+sh Moderation: Andreas Kyriacou, Präsident Zürcher Freidenker Zentralvorstand 2010 Samstag, 23. Oktober Freidenkerhaus, Bern Aarhof, Olten frei denken. 4 I 2010 Grosser Vorstand 2010 Samstag, 20. November Adressen Trauerfeiern / Rituale Basel: Freidenker Nordwestschweiz 061 321 31 48 Basel: Freidenker-Union 061 601 03 43 oder 061 601 03 23 Bern / Freiburg / Wallis 079 449 54 45 oder 079 795 15 92 Mittelland 062 926 16 33 Romandie 026 660 46 78 ou 022 361 94 00 Solothurn / Grenchen 076 539 93 01 oder 032 645 38 54 St. Gallen / Ostschweiz 052 337 22 66 Winterthur / Schaffhausen 052 337 22 66 Zentralschweiz / Ticino 041 855 10 59 Zürich 079 269 90 85 Sollte unter der regionalen Nummer niemand zu erreichen sein, wenden Sie sich bitte an die FVS-Geschäftsstelle 031 371 65 67 oder an 052 337 22 66. Basel / Nordwestschweiz Freidenker Nordwestschweiz Postfach 260 4010 Basel basel-nws@frei-denken.ch Präsident: H. Mohler 061 261 36 19 Mitgliederdienst: B. Bisig 061 321 31 48 Solothurn / Grenchen Freidenker Solothurn/Grenchen Postfach 217 2545 Selzach grenchen@frei-denken.ch Präsident: S. Mauerhofer 076 478 69 94 Mitgliederdienst: L. Höhneisen 076 539 93 01 Freidenker-Union Basel Postfach 4471 4002 Basel basel-union@frei-denken.ch Präsident: G. Rudolf 061 601 03 43 Mitgliederdienst: 061 601 03 23 Ticino Associazione Svizzera dei Liberi Pensatori (ASLP) Sezione Ticino CP 721 6902 Paradiso ticino@frei-denken.ch Bern FreidenkerInnen Region Bern Postfach 831 3550 Langnau regionbern@frei-denken.ch FR Presidente R. Spielhofer 091 994 21 45 Vaud Präsident: D. Aellig 079 449 54 45 Mitgliederdienst: E. Schenker 031 351 83 82 Ass. vaudoise de la Libre Pensée CP 5264 1002 Lausanne vaud@frei-denken.ch Président: Secrétariat: JU / NE / VS Genève J. P. Ravay 022 361 94 00 026 660 46 78 Libre Pensée de Genève 27 ch. des quoattes 1285 Avusy geneve@frei-denken.ch Président: J. P. Bouquet 022 756 40 49 Wallis Freidenker Wallis Postfach 118 3922 Stalden wallis@frei-denken.ch Präsident: V. Abgottspon 078 671 08 03 Mittelland Freidenker Mittelland Postfach 56 4628 Wolfwil mittelland@frei-denken.ch Präsident: H. Haldimann 062 926 16 33 Winterthur Präsident: Freidenker Winterthur Postfach 1806 8401 Winterthur winterthur@frei-denken.ch K. Schmid 052 337 06 27 Ostschweiz Präsident: Freidenker Ostschweiz Postfach 359 9001 St. Gallen ostschweiz@frei-denken.ch M. Candrian 079 653 67 76 Zentralschweiz Präsidentin: Freidenker Zentralschweiz Zugerstr. 35 6415 Arth zentralschweiz@frei-denken.ch G. Annen 041 855 10 59 Adressänderung melden an FVS / ASLP Zentralkasse Postfach 217 CH-2545 Selzach zentralkasse@frei-denken.ch Schaffhausen Freidenker Schaffhausen schaffhausen@frei-denken.ch c/o Freidenker Winterthur Postfach 1806 8401 Winterthur Kontakt: K. Schmid 052 337 06 27 Zürich Freidenker Zürich Postfach 3353 8021 Zürich zuerich@frei-denken.ch Danke! Präsident: A. Kyriacou 044 253 18 96 Mitgliederdienst: A. Erne 043 299 53 36 AZB P.P./Journal CH-2545 Selzach Freidenker-Vereinigung der Schweiz www.frei-denken.ch