Freidenker 06/2003.pdf

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(file: @@freidenker-200306.pdf@@)Der gedachte Gott Fiktion ist, dass nicht nur "Gott" ein von den Genen gesteuertes Hirngespinst ist, sondern zum Beispiel auch die Vorstellungen von "Freiheit" und "Liebe". Die Liebe ist nach dieser Vorstellung nichts anderes als eine mehr oder weniger egoistische Strategie des Überlebens. Neurowissenschaftler haben in letzter Zeit Schlagzeilen gemacht mit einem neuen Forschungsgebiet, der Neurotheologie. Sie haben durch Stimulationen bestimmter Regionen des Gehirns stark gefühlsgeladene, religiöse Empfindungen erzeugen können, wie sie in einigen Kulturen auch durch Drogen und bestimmte Techniken (z.B. Tanz, Atemtechniken) hervorgerufen werden. Der Neurologe V. Ramachandran (University of California, San Diego) hat herausgefunden, dass Menschen mit Epilepsie im Bereich des Schläfenlappens besonders häufig "spirituelle Visionen" haben, die das Leben tiefgreifend bestimmen. Er nennt dieses Hirnareal sogar "Gottesmodul", da es allein durch das Nennen des Begriffs "Gott" in starke Aktivität versetzt werde. Die Schläfenlappen scheinen geradezu prädestiniert dazu, den Eingang zu anderen Welten zu öffnen. In Zusammenarbeit mit dem sogenannten limbischen System des Gehirns wird besonders Wichtiges mit hoher emotionaler Wertigkeit belegt und wie ein Stempel in unsere Hirnwindungen eingebrannt. Vor allem der Mandelkern, ein entwicklungsgeschichtlich uraltes, erbsengrosses Nervenbündel, spielt dabei eine Rolle. Er beurteilt Informationen rein emotional, ohne die Einschätzung des wesentlich "jüngeren" Bewusstseins mit seinen vielfältigen Bedeutungsvorgaben abzuwarten. Hier verwandeln sich Informationen in Gefühle wie Angst, Glück, Freude, Wut – oder eben Gottesliebe. Der Neurologe Andrew Newberg aus Philadelphia untersuchte in seinem Labor acht Versuchspersonen, die mit den Meditationstechniken des tibetischen Buddhismus vertraut waren. Im Moment der tiefsten Versenkung injizierte er über eine Infusionsleitung eine schwach radioaktive Substanz, um zu messen, welcher Hirnbereich besonders aktiv war. Dieser "Schnappschuss vom Nirwana" ergab, dass in den Scheitellappen besonders das so genannte "Orientierungs-AssoziationsAreal" aktiv war, in dem das Gefühl für die Grenzen des eigenen Körpers und Informationen über Raum und Zeit verarbeitet werden. Newberg vermutet, dass die Hirnregion hinter dem linken Ohr die Grenze zwischen dem Selbst und der Welt nicht mehr definieren kann, weil Meditierende ihre Sinne für die Aussenwelt abschalten. Ohne Zufuhr von Informationen entsteht das Gefühl von Ewigkeit und Endlosigkeit, der "Atem Gottes" werde spürbar. Hörte also, fragten sich Ramachandran und seine Washingtoner Kollegen William Calvin und George Ojemann, Johanna von Orleans Gottes Aufforderung zur Rettung Frankreichs während eines Schläfenlappenanfalls oder einer tiefen Meditation? Und ging es Mose auf dem Berg Sinai und Paulus auf dem Weg nach Damaskus ähnlich? Löst sich damit vielleicht sogar der christliche Glaube in einer Reihe von messbaren und exakt zu beschreibenden Hirnfunktionen auf? Ramachandran behauptet, die Ergebnisse der neueren Hirnforschung zeigten, dass religiöses Denken in dem knapp anderthalb Kilogramm schweren grauweissen Gewebe des Gehirns genetisch fest vorprogrammiert sei: "Es gibt eine neuronale Basis für religiöse Erfahrungen." Ob dies als neuer Gottesbeweis gefeiert werden soll, darüber wird derzeit unter Christen heftig gestritten. FreidenkerInnen jedoch ahnen, dass es damit wohl wieder einmal nichts ist... Literatur siehe S. 6 Wie kommen die Menschen zu ihrer Gottesvorstellung? Soziobiologen wie E. Wilson und R. Dawkins behaupten auf der Basis des Darwinismus, alle geistigen Phänomene, auch die Religion, seien nichts anderes als von den Genen gesteuerte Anpassungsstrategien des Gehirns zum Zweck der Optimierung des Überlebens des Organismus oder der Art. Religion wäre demnach ein Produkt der Evolution, das zwar in frühen Zeiten der Kulturgeschichte einen hilfreichen Beitrag zur Bewältigung des Daseins geliefert habe, im aufgeklärten technischen Zeitalter aber eher kontraproduktiv und daher durch bessere Lebensbewältigungsmechanismen zu ersetzen sei. Vorausgesetzt wird dabei, dass die von Religionen behauptete Wirklichkeit eine THEMEN in diesem FREIDENKER Der gedachte Gott Berichte von der DV in Genf Blick ins Jenseits? Büchertisch Afghanistan ohne Schleier 1 2-3 4-5 5-6 7 Reta Caspar FREIDENKER 6/03 1 Jahresbericht 2002 des Zentralpräsidenten "1. Die FVS ist 77 Jahre alt und hat rund 2000 Mitglieder. Jeder in diesem Saal wird mir zustimmen, wenn ich sage, dass wir nach _ Jahrhunderten eigentlich mehr Mitglieder haben müssten, vor allem wenn man die Zunahme der Konfessionslosen in Betracht zieht. 2. Wir haben 26 Kantone und Halbkantone, aber nur 16 FVS Sektionen. Unsere Interessen werden nicht in allen Landesteilen vertreten. 3. Wir haben nicht nur zu wenige Sektionen, wir sind auch im Allgemeinen zu wenig aktiv. 4. Unsere Werbung ist noch nicht genügend effizient, in PR stehen wir noch am Anfang. Deshalb sind wir noch viel zu wenig bekannt und, wenn man weiss, dass es eine FVS gibt, hat man vermutlich falsche Vorstellungen von uns." Sie haben bemerkt, dass hier verschiedenes nicht ganz stimmen kann. Es handelt sich nämlich um eine Analyse, die der damalige Zentralpräsident Walter Baumgartner anlässlich einer Arbeitstagung am 20.10.85 in Olten präsentierte. Es sind leider auch nur die Zahlen im ersten Abschnitt, die nicht stimmen – vergleicht sie doch einfach mit den Mitgliederzahlen vom September 2002, die aus einer weiteren DV-Unterlage ersichtlich sind. Ich meine, dass es allerhöchste Zeit ist, uns innerhalb eines relativ breiten Kreises von eher überdurchschnittlich engagierten Freidenkerinnen und Freidenkern zu einer Arbeitstagung an einem zentral gelegenen Ort zu treffen um uns ernsthaft über die Zukunft der FVS zu unterhalten. Ich werde nach Verabschiedung des Jahresberichtes eine Konsultativabstimmung zu diesem Thema durchführen. Nachzutragen wäre noch, dass es hier um einen persönlichen Gedanken meinerseits handelt, der bis jetzt im ZV noch nicht besprochen worden ist.* DV 2002 in Grenchen Die Freidenkerspende 2001/2002 in der Höhe von Fr. 10.000.- wurde Frau Annemarie Rey als Vertreterin der SVSS Delegiertenversammlung relativ rasch zerstritt, weil es offensichtlich irgendwo an ein wenig Toleranz fehlte. Die Bemühungen des ZV werden fortgesetzt. Wiederbelebung "verschwundener" Sektionen Über Neuenburg brauchen wir vorderhand nicht mehr zu sprechen. Ich verweise auf den letzten Jahresbericht. Im Tessin hingegen hat sich einiges getan. Es ist Roberto Spielhofer gelun- überreicht. Nach gründlicher Diskussion unterstützen die Delegierten das Projekt RIO DAS OSTRAS für die Spende 2002/2003. Weitere Einzelheiten sind aus dem Protokoll ersichtlich. Grosser Vorstand Das Budget 2003 wurde am 30.11.02 in Olten verabschiedet. Zentralvorstand Der ZV traf sich zu Sitzungen in Bern am Sonntag 7. April, Samstag 22. Juni Aufruf des Zentralpräsidenten Klausurtagung 2003 Die im Jahresbericht erwähnte Konsultativ-Abstimmung ist durch meine Abwesenheit in Genf leider unters Eis geraten. Ich möchte aber mein Anliegen nicht auf sich beruhen lassen und rufe deshalb alle Freidenkerinnen und Freidenker, denen die Zukunft unserer Vereinigung einigermassen am Herzen liegt, auf, sich schriftlich, über Fax oder telefonisch bei mir zu melden. Bei Erscheinen dieses Aufrufes, oder wenige Tage später werde ich auch über E-mail erreichbar sein. Ich hoffe, mit diesem Appell doch etwa 20-30 engagierte Kolleginnen und Kollegen zusammen zu bringen, mit denen ich an einem noch zu bestimmenden Tag in Klausur gehen kann. Dieser Aufruf richtet sich wirklich an Alle - ohne Rücksicht darauf, ob Ihr in unserer Organisation irgendeine Funktion ausübt oder nicht. Ich freue mich auf eure Reaktionen! Euer ZP Jürg L. Caspar Büelrain 4, 8545 Rickenbach, Tel 053 337 33 66, Fax 052 337 22 20, Mobil 079 430 53 05, E-mail: jlcaspar@bluewin.ch und am Samstag, 26. Oktober. Ich verweise auf die entsprechenden Protokolle. Seminare/Weiterbildung Eine Sitzung der Arbeitsgruppe Presse in Selzach am 11.5.02 musste abgesagt werden. Ein für 21.9.03 angesagtes Seminar AUFBAU ÖFFENTLICHKEITSARBEIT stiess auf zu wenig Interesse; wurde deshalb ebenfalls nicht abgehalten. Die SozialbetreuerInnen der Sektionen wurden auf den 16. November 2002 nach Olten eingeladen. Auch diese Veranstaltung kam leider infolge Mangel an Interesse nicht zustande. Im Zusammenhang mit einem Votum anlässlich der DV des Kollegen Bernasconi (ZH) bildete sich spontan eine Art von Task Force, die sich aber gen, verschiedene alte Mitglieder wieder zu interessieren. Es könnte gelingen, mit diesen und weiteren, neuen Interessenten zusammen einen Neustart mit etwa 30 Mitgliedern zu realisieren. Roberto wird selber mündlich informieren. Ich hoffe sehr, dass das positive Beispiel Tessin auch anderen Sektionen wieder etwas Mut macht. Mitgliederbestand FVS Vom ZV aus ist versucht worden, an den Rahmenbedingungen zu arbeiten. Was machen wir falsch, dass das Echo nicht grösser ist? Ich wiederhole einmal mehr – zum zweiten Mal – die sehr einfache Remedur: Wenn jede Freidenkerin und jeder Freidenker nur EIN neues Mitglied bringt, so sind wir den grössten Teil unserer Sorgen schon los!!! 2 FREIDENKER 6/03 Merci à Genève... Der Sektion Genf, insbesondere Joseph und Thérèse Bouquet, ein herzliches Dankeschön für die Organisation, den persönlichen Empfang und den feinen Tropfen Genfer Stadtwein, den die Delegierten am Ende der Versammlung mit auf den Heimweg erhielten. Beim offerierten Apéro dann der herrliche Ausblick von der Terrasse, der wohl in einigen den Wunsch gwweckt hat nach einem ...à bientôt Bericht von der Delegiertenversammlung 2003 43 Delegierte und einige Gäste haben bei schönstem Sommerwetter an der diesjährigen Delegiertenversammlung in Genf teilgenommen. Nach vielen Jahren konnte erstmals auch wieder ein Delegierter der seit April 2003 reaktivierten Sektion Ticino begrüsst werden. Für den aus gesundheitlichen Gründen abwesenden Zentralpräsidenten Jürg L. Caspar führte Vizepräsident Vivian Aldridge zügig durch das Tagungsprogramm. In Ergänzung zum schriftlich abgegebenen Jahresbericht des Zentralpräsidenten würdigte er den am 15. November 2002 verstorbenen Ehrenpräsidenten Adolf Bossart, der sich um die FVS in vielfacher Weise verdient gemacht hat. Anschliessend erhoben sich die Anwesenden zu einer Gedenkminute für den Verstorbenen. Die statutarischen Geschäfte wurden ohne Diskussion erledigt. Mehr zu reden gab das Traktandum 10 "Jahresspende". Der Zentralvorstand hatte wie gewohnt zwei mögliche Spendenprojekte zur Wahl stellen wollen (siehe FREIDENKER 4/03). Dazu kam es aber nicht. Aus der Sektion Mittelland lag ein Antrag auf Aufhebung des seinerzeitigen Beschlusses zur Einführung der Freidenkerspende vor, mit der Begründung, dass sich die FVS nicht über die Spendenaktion definieren könne und solle. Obwohl sich etliche Delegierte für dieses Zeichen der Solidarität einsetzten, ergab sich in der Abstimmung ein knappes Mehr (22) für den Antrag, 16 stimmten dagegen, 5 enthielten sich. Die ZV-Mitglieder (abgesehen vom zurückgetretenen Marc Wäckerlin), der Zentralpräsident und die RevisorInnen wurden mit Applaus wiedergewählt. Jean Kaech berichtete über die Aktivitäten der Weltunion und wies darauf hin, dass er einen Nachfolger in sein Amt bei der WUF sucht. Er hofft, dass der zweisprachige Jean-Pierre Ravay (Vaud) ihn mittelfristig ersetzen wird. Die Rückzahlung der der FVS gewährten Darlehen muss 2003 weitergehen. Die InvestorInnen werden gebeten, Rückzugsangebote zu machen. Die DarlehensgeberInnen werden durch den ZV benachrichtigt. Die Delegiertenversammlung 2004 wird freundlicherweise von den beiden Basler Sektionen organisiert. Vorläufiges Resultat der Spendenaktion 2002: Mindestens Fr. 11'000.wurden von Adrian Fluri (Winterthur) symbolisch entgegengenommen. Er bedankte sich im Namen von Robert Kern und dessen Ausbildungszentrum rc in Rios das Ostras, Brasilien. Finanzen Wir stehen nach wie vor gut da. Sie ersehen aus dem Kassabericht, dass wir wiederum eine grössere Abschreibung an der Liegenschaft vornehmen konnten. In naher Zukunft wird sich die Frage stellen an wen wir Rückzahlungen von Darlehen vornehmen können. Verbindungen mit dem Ausland Werden nach wie vor von Jean Kaech wahrgenommen, unterstützt von Mark Furner. Ausblick Ich muss meinen Appell vom letzten Jahr wiederholen: Wir sind kein Konsumverein, keine Konsumenten von fertigen Angeboten – die Frage lautet nicht: Was bietet mir die FVS, sondern: Was kann ich für die FVS tun, was kann ich als einzelnes FVSMitglied in die Vereinigung einbringen? Mein Wunsch, den ich vor einem Jahr geäussert habe, nämlich einen Bericht abzugeben, voll von Erfolgsmeldungen, ist leider nicht in Erfüllung gegangen. Müssen wir auf bessere Zeiten warten? NEIN, ich glaube sie könnten nicht besser sein, also müssen wir es einfach anpakken!! Ich danke abschliessend allen, die im vergangenen Jahr dazu mitgeholfen haben, unser Vereinsschiff einiger-massen auf Kurs zu halten. Slogan-Wettbewerb Anlässlich der DV in Genf haben die Delegierten Stellung genommen zu den von FVS-Mitgliedern vorgeschlagenen Slogans: Rang 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 „Religionsfreie humanistische Vereinigung“ „Wir bestimmen selbst, was wir glauben, wie wir denken und wofür wir leben wollen“ „Für Leute die konfessionslos und frei denken“ „Gemeinschaft konfessionell freier Menschen“ „Religionsfreie Vereinigung“ „Die Interessenvertretung kritisch- und selbständig denkender Menschen“ „Vereinigung kirchenfreier Menschen“ „Bund weltoffener kirchenfreier Menschen“ „Religionsfreie Humanisten“ „Religionsfreie Denker“ „Die Schweizer Humanisten“ „Organisation weltoffener, kirchlich ungebundener Bürger“ „Religionsfreie Union“ „Anti-klerikale, freigeistige Vereinigung“ Jürg L. Caspar Rickenbach, 10.04.03 * siehe Aufruf im Kasten Der Gewinner der Büchergutscheine heisst: Markus Wunderle, Mattenstr. 16, 4057 Basel Herzliche Gratulation! Der ZV wird an seiner nächsten Sitzung das Thema "Slogan" behandeln, der FREIDENKER wird Sie über allfällige Beschlüsse informieren. FREIDENKER 6/03 3 Blick ins Jenseits? Strahlende Helligkeit am Ende eines Tunnels, Begegnungen mit "Lichtwesen", Schweben über dem eigenen Körper – solche Berichte hört man immer wieder von Menschen, die an der Schwelle zum Tod standen und ins Leben zurückgeholt wurden. Wirklich bekannt wurde das Phänomen erst in den 1970er Jahren, als erfolgreiche Wiederbelebungen häufiger wurden. Damals veröffentlichte auch der amerikanische Arzt und Philosoph Raymond A. Moody sein viel beachtetes, oftmals als zu esoterisch kritisiertes Buch über Nahtod-Erfahrungen. Skeptiker wenden ein, die Erlebnisse in Todesnähe seien eine Erfindung der modernen Gesellschaft. Doch es gab sie zu allen Zeiten, wie der Philosoph Stefan Högl (memopolis.uniregensburg.de/ lektuere/texte/hoegl/ nahtod/komplett.html) nachweist. Hinweise auf frühere Nahtod-Erfahrungen finden sich in der Kunst, zum Beispiel bei Hieronymus Bosch. Auch die Entrückungen und Visionen religiöser und historischer Persönlichkeiten werden laut Högl von vielen Wissenschaftlern als Nahtod-Erlebnisse interpretiert: etwa die Himmelfahrt des Jesaja in den apokryphen Bibelschriften oder die des islamischen Propheten Mohammed. Kulturelle Unterschiede? Ein genauerer Blick auf die Berichte von Sterbenden aus verschiedenen Kulturen zeigt, dass nicht alle Menschen ihren "Tod" gleich erleben. Das behaupten zumindest die Konstanzer Soziologen um Hubert Knoblauch. Ihrer Studie zufolge wird schon in Ostdeutschland anders gestorben als im Westen: Während "Wessis" meist von angenehmen Erlebnissen berichten, scheint der Tod im Osten ein wahrer Höllentrip zu sein. Die Konstanzer stehen mit ihrer Idee vom kulturell geprägten Tod nicht alleine da. Auf www.near-death.com wird eine beachtliche Sammlung von NahtodErfahrungen von Hindus, Buddhisten, Juden, Christen, Moslems, aber auch von Atheisten zusammengetragen – jeweils mit Hintergrundinformationen und Quellenangaben versehen. Wie aber lässt sich die kulturelle Prägung des Todes erklären? Können die verschiedenen Erlebnisse allein auf neurologische Fehlfunktionen zurückgeführt werden oder steckt am Ende doch eine Art "Blick ins Jenseits" dahinter? Mit der psychologischen Deutung beschäftigt sich eine Seite auf dem Server der Rutgers-Universität in New Jersey. Auf der Grundlage von Fachartikeln beleuchten fünf Studenten die verschiedenen Hypothesen. Eine davon lautet, dass die "Zurückgekehrten" ihren Erlebnissen erst in der Erinnerung eine individuelle Note verleihen – geprägt durch Kultur und Religion. Gemeinsame Elemente Es handelt sich um komplexe Wahrnehmungsphänomene in unmittelbarer Todesnähe. Erstaunlich ist, dass diese praktisch in allen Kulturen und zu allen Zeiten aus denselben Elementen bestehen. Glück, Freude, Erhabenheit – meist als Reaktion auf den Stress, dem der Betroffene kurz zuvor noch ausgesetzt war. Biochemisch können diese Erscheinungen mit der Ausschüttung von Endorphinen, sogenannt körpereigenen Morphinen, erklärt werden. Dann folgt eine Art Schwebegefühl, das übergeht in ein "ausserkörperliches Erlebnis". Typischerweise sehen sich die Betroffenen dabei selbst von oben. Dazu regt Detlef Linke ein Experiment an: "Machen wir ein kurzes Gedankenexperiment: Stellen Sie sich vor, wie Sie im Schwimmbad zwei, drei Bahnen ziehen! ... Sind Sie soweit? Jetzt frage ich: Sehen Sie sich quasi vom Beckenrand aus, oder nehmen Sie das Geschehen aus der eigentlichen Schwimmer-Perspektive wahr, also vom Wasser aus? Achtzig Prozent der Menschen sehen sich hier typischerweise von oben. Wir sehen uns quasi mit den Augen eines anderen. Und wenn Sie sich vorstellen sollten, wie Sie in einem Tal an einem Bach entlang wandern, dann tun Sie das wahrscheinlich ebenfalls "von aussen", typischerweise sogar aus der Vogelperspektive. Das bedeutet, wir sind also grundsätzlich in der Lage, uns selber aus einem anderen Blickwinkel betrachten, gewissermassen aus uns herauszutreten. Das ist unsere ganz normale Fähigkeit, die allerdings permanent unterdrückt wird – bedingt durch eine gewisse Tradition der Ich-Kultur und Selbstbezogenheit. Wenn ich ohne Chance auf Der Eingang des Himmels Hieronymos Bosch 1450-1516 Überleben unter einem Lastwagenreifen liege, gebe ich meine krampfhafte, weitgehend automatisierte Perspektive der Körper-Ich-Bezogenheit auf. Ich brauche die Endorphine also gar nicht unbedingt, um von den beliebten transzendenten Ausdeutungen entsprechender Wahrnehmungen Abstand zu gewinnen."1 Das berühmte Licht am Ende des Tunnels folgt meist danach: Irgendwann gleitet die ausserkörperliche Erfahrung in eine Art Tunnel über, durch den der Betroffene hindurch fliegt, einem hellen Licht entgegen. Am Ende des Tunnels taucht man in hell leuchtete Landschaftsbilder ein. Dann erscheinen zum Beispiel verstorbene Familienmitglieder oder religiöse Figuren, die einen zu begrüssen scheinen. Doch irgendwann stösst man an eine Art Grenze – einen Fluss, Zaun oder auch Berg. Meistens geht die Reise dann in genau umgekehrter Richtung zurück: durch den Tunnel, in den Behandlungsraum, bis in den eigenen Körper hinein. Manche Menschen berichten auch von einem Lebensfilm, wobei dieser Film vorwärts oder rückwärts ablaufen kann, also in Richtung der eigenen Geburt oder davon weg. Offenbar stellen sich die erinnerten Szenen und Bilder – im Gegensatz zu herkömmlichen Erinnerungen – hier stets als hundertprozentig richtig heraus. Das zeigt sich, wenn man zur Kontrolle Angehörige befragt, wie sich eine im Lebensfilm wiedererlebte Kindheitserfahrung genau zugetragen hatte. Unbewusste Erinnerungen Kritische Mediziner bezeichnen diese Erlebnisse als Rekonstruktionen von unbewussten Wahrnehmungen. Das 4 FREIDENKER 6/03 Gehirn nimmt permanent eine Unmenge von Informationen aus unserer Umwelt auf, die nicht in unser Bewusstsein vordringen. Wer zum Beispiel jetzt und hier mit Herzinfarkt umfällt, hat eine unbewusste Erinnerung etwa an die Fussbodenbelag des Zimmers – auch wenn er ihn vorher nicht beachtet hat. Das leistet unser Gehirn. Die klinischen Kriterien für besondere Bewusstseinszustände sind nicht präzise fassbar. Selbst in der internationalen Vereinbarung über die Definition des Hirntodes wird nicht klar, wann genau dieser eintritt. Als Instrument dient das Elektroenzephalogramm (EEG). Doch auch damit kann die entscheidende Frage, wann genau der Hirntod eintritt, nicht zweifelsfrei beantworten. Deshalb ist die physiologische Definition einer "Nahtod-Erfahrung" schwierig. Nahtoderfahrungen werden jedenfalls nur in Stresssituationen beschrieben, nicht bei todkranken Menschen. Deshalb Sherwin Nulands Aussage: "Ich zweifle nicht daran, dass es Sterbeerlebnisse gibt und dass Menschen in Todesgefahr manchmal geradezu Übernatürliches widerfährt. Ich glaube indes nicht, dass dies bei Menschen, die dem Tod nicht plötzlich gegenüberstehen, sehr häufig ist. Wenn also von Trost, Seelenfrieden oder heiterer Gelassenheit während der letzten Tage eines Sterbenden die Rede ist, muss vor Übertreibungen gewarnt werden. Wer falsche Erwartungen weckt, dient den Menschen wenig."2 rc Quellen: 1 Gehirn und Geist. Magazin für Psychologie und Hirnforschung. Ausg. 3/03 www.wissenschaft-online.de/page/page_gg_home Verlorene Träume... Seit einiger Zeit werden in Fernseh-Talk-Shows immer wieder Frauen islamischen Glaubens eingeladen, um über ihr persönliches Verhältnis zur Religion und, besonders publikumswirksam, über den Schleier zu sprechen. Diese, grösstenteils nach einer Heirat zum Islam konvertierten Frauen, versichern dabei regelmässig, manchmal etwas gar trotzig, wie unvergleichlich frei, stark und unabhängig sie sich in ihrem neuen, verschleierten Leben fühlen. Und die überforderten Moderatoren nehmen diese Aussagen nur noch staunend, beinahe wohlwollend und völlig unkritisch zur Kenntnis. Mit den Grenzen dieser Freiheit und Wertschätzung werden einige dieser Frauen aber spätestens dann konfrontiert, wenn sie ihrem Mann in seine Heimat folgen und sich den Gebräuchen und Sitten des neuen Landes und auch der Grossfamilie unterordnen müssen, wenn sie ohne männliche Begleitung ausserhalb der Hofmauern nicht die geringste Bewegungsfreiheit mehr haben, wenn sie bei einer möglichen Scheidung – auch das soll es hie und da geben – aufgrund eines Urteils nach den Gesetzen der Scharia oder dem Entscheid des Stammesführers jedes Sorgerecht über die Kinder verlieren. Die Schilderungen von Betty Mahmoody in ihrem Buch "Nicht ohne meine Tochter" zeigen eindrücklich, wie eine Frau all ihrer individuellen Freiheiten beraubt werden kann und wie rasch sich ein bei uns eher weltlich gebender Muslim in seiner Heimat unter dem Einfluss des archaischen, streng religiös gefärbten Umfeldes zum rücksichtslosen Patriarchen wandeln kann. Sicher, nicht wenige Frauen konnten sich ihre Wünsche in einer wunderbaren und harmonischen Beziehung erfüllen – aber für zu viele gerieten die Träume von einer goldenen Freiheit unter dem Schleier zum Alptraum. Zu viele gescheiterte Hoffnungen und zerstörte Träume leben heute irgendwo, in zerklüfteten Bergtälern, in namenlosen Dörfern und hinter hohen, fensterlosen Mauern ganz still dahin. Auch wenn die Zeit meiner ereignisreichen Reisen schon längst Vergangenheit ist, die traurigen, verstohlen um Hilfe bittenden Augen einer seelisch zerbrochenen Frau bleiben in der Erinnerung quälend lebendig. Denn ihr wehmütig geäusserter Wunsch, die so lange ersehnte Freiheit wiederzuerlangen, musste eine unerfüllbare Illusion bleiben – und heute hat der heisse Wüstenwind alle Spuren des einst hoffnungsvollen Lebens verweht. Wie schon so viele vorher. Und nachher. Denn es werden auch weiterhin immer wieder Frauen den Traum von der goldenen Freiheit träumen, einer Freiheit, die sie aber nicht verstehen – weil sie ausschliesslich eine Freiheit des Mannes ist. Sogar religiös legitimiert. Wie absurd und ergebnislos ein Gespräch über die Freiheiten der Frau mit streng gläubigen Muslimen verlaufen kann, illustriert auch nachstehende Unterhaltung mit einem Imam (Vorbeter, Geistlicher) für einen Beitrag in der Wochenzeitung "Die Zeit": "Unterdrückt der Islam die Frau?" "Der Koran", sagt Imam Achmed, "schreibt vor, dass die Frauen sich bedecken sollen." "Ist der Islam vereinbar mit dem Selbstbestimmungsrecht der Frau?" Das Kopftuch, meint der Imam, sei eine Art Gebet, das Gott den Frauen vorgeschrieben habe. "Die Frau wird also in ihren Grundfreiheiten nicht eingeschränkt?" "Nein, der Islam misst der Frau einen sehr hohen Wert bei." "Welchen?" Ein Zug nach Westen rauscht vorbei. Das letzte Laub des vergehenden Herbstes rieselt in die Vorhalle der kleinen Moschee.... Der Imam schweigt. "Welchen Wert misst der Islam den Frauen bei, Imam Achmed?" Der Imam überlegt. Er überlegt lange. Es ist still. Kinder spielen Fussball. Der Imam spielt mit den Fingern. Er starrt aus dem Kabuff.... Nein, dem Imam fällt zum hohen Stellenwert der Frau nichts ein. Bruno Stutz FREIDENKER 6/03 Sherwin B. Nuland, Wie wir sterben. Ein Ende in Würde? Knaur-Verlag 1996 2 ..." dann war da dieser dunkle Tunnel und am Ende das helle Licht und ein Souvenir-Shop. Ich habe T-Shirts für die Kinder gekauft!" 5 Büchertisch Wie Glaube im Hirn entsteht Neurowissenschaftler haben vor nichts Respekt – auch nicht vor dem Glauben, deshalb setzten sie sich auch hin und beobachteten die Gehirne von Buddhisten während der Meditation und von katholischen Nonnen beim Beten. Und siehe da: Gott zeigt sich in den Fotos. Ein Areal im linken Schläfenlappen leuchtet ganz anders als sonst. Die Schlussfolgerung der Gehirnforscher: Glaube kann sichtbar gemacht werden. Und nicht nur das: Religion, der Glaube an Allah, Gott, Buddha und alle anderen "höheren Wesen" ist im Gehirn entstanden. Weil er dem Menschen in frühester Vorzeit beim Überleben half . Er ist also ein Erbe der Evolution. Schon bis hierher ist "Der gedachte Gott" ein faszinierendes Buch. Absolut verständlich beschreiben die Autoren ihre Entdeckungen. Sie tun aber noch mehr: Sie vergleichen Äusserungen über das Gotteserlebnis, die "Erleuchtung", aus der ganzen Welt und aus vielen Zeitaltern: Sie gleichen sich beinahe aufs Wort. Ob Dalai Lama oder europäische Mystikerinnen, Sufi-Mönche, Schamanen oder Taoisten – alle schildern absoFortsetzung von Seite 5 lut das Selbe, das totale Einssein mit allem, die Auflösung des Ichs in einer höheren Sphäre. Falls es einen Gott gibt, egal wie man ihn nennt, ist es also immer derselbe. Zum Schluss versuchen die Autoren zu beweisen, dass "Gott" nicht nur im Gehirn erdacht wurde und wird, sondern dass es ihn als von aussen wirkende Macht tatsächlich gibt. Damit gehen sie für Skeptiker entschieden zu weit, aber das ändert nichts an der Empfehlung: "Der erdachte Gott" ist eines der aufregendsten und spannendsten Sachbücher im Frühling 2003. Ein neues Menschenbild? Der Konflikt zwischen Geistes- und Naturwissenschaften tritt in der aktuellen Diskussion um ein sich wandelndes Menschenbild besonders hervor. In einer Reihe von exemplarischen Gesprächen, stellt der Hirnforscher Wolf Singer der Idee vom frei handelnden Menschen den u. a. von neuronalen Prozessen weitgehend determinierten Menschen entgegen, betont aber auch die Bedeutung von sozialen und kulturellen Faktoren für die geistige Entwicklung des Menschen. Kritisch setzt sich Singer mit der Vision einiger Zukunftsforscher auseinander, die die Entwicklung von künstlichen Gehirnen für die nächsten Jahre voraussagen. Die Gespräche mit Singer vermitteln aber auch einen Einblick in seine aktuellen Projekte in der Hirnforschung, die Hoffnung für die Entwicklung neuer Therapieformen geben. "Wir sind gespalten zwischen dem, was wir aus der Erste-PersonPerspektive über uns wahrnehmen, und dem, was uns wissenschaftliche Analyse aus der Dritte-Person-Perspektive über uns lehrt". Diese Aussage von Wolf Singer bringt das Dilemma auf den Punkt. Die Ergebnisse der Hirnforschung harmonieren nicht mit dem Selbstverständnis des Menschen. Brauchen wir also ein neues Menschenbild? Die Gesprächsform wirkt sich positiv auf das Verständnis der Problematik aus, hat aber auch zur Folge, dass sich Inhalte wiederholen. Die Frageform im Titel ist bezeichnend für den derzeitigen Stand der Diskussion. Die Inhalte sind zwar nicht neu, aber hoch brisant. Das durchweg lesenswerte Buch provoziert zur Gegenthese: Gibt es (naturwissenschaftliche) Erkenntnisse über uns selbst, die wir in unser Selbstmodell nicht integrieren können? Wolf Singer Ein neues Menschenbild? Gespräche über Hirnforschung. Preis: EUR 9,00 Broschiert, 300 Seiten Suhrkamp 2003 ISBN: 3518291963 Andrew Newberg, Eugène D'Aquili, Vince Rause Der gedachte Gott. Wie Glaube im Gehirn entsteht. Preis: EUR 19,90, 260 Seiten Piper 2003 ISBN: 3492044271 Wolf Singer (*1943) Prof. Dr. med. Seit 1981 ist Prof. Singer Direktor des Max-Planck-Institutes für Hirnforschung in Frankfurt. Von über hundert deutschen Wissenschaftsjournalisten wurde er 1999 zu einem der bedeutendsten Naturwissenschaftler des Jahrzehnts gekürt. Aber seine Arbeit, die ihm die weltweite Anerkennung seiner Fachkollegen eintrug, zog ihm auch Hass, Morddrohungen und Verurteilungen von Tierschützern ein. Denn viele seiner Erkenntnisse über die Funktionen des Gehirns erlangte Singer durch Versuche an Ratten, Katzen und Affen. Durch diese Forschungen, argumentiert Singer, seien Möglichkeiten zur Heilung, zum Beispiel der Epilepsie, gefunden worden. Ohne solche Versuche seien Fortschritte in der Psychiatrie und Neurologie nicht zu erzielen. Singer ist auf Grund seiner Arbeit heute der Ansicht, daß der Mensch bei Geburt "sein Paket an Entwicklungsmöglichkeiten, seine individuelle genetische Ausstattung mitbringt", die Fähigkeit zur sozialen Eingliederung und seine Persönlichkeitsstruktur aber im Laufe der Kindheit und Pubertät ausbildet. Er meint: "Wenn wir erwachsen sind, glauben wir, das Ich war schon immer da. Doch in Wahrheit ist es nur ein Konstrukt". Die Entwicklung kognitiver Strukturen, die mit dem siebzehnten, achtzehnten Lebensjahr abgeschlossen ist, ist laut Singer die Zeit irreversibler Prägungsprozesse, die über Charakter und Persönlichkeit des späteren Erwachsenen entscheiden. Auf die Frage nach der menschlichen Seele, eigenständigem Bewusstsein und dem freien Willen verweist Singer auf zahlreiche Untersuchungen, die das Verhalten des Menschen und seine Individualität dem Zusammenspiel der Nervenzellen im Gehirn zuschreiben. Trotz dieser biologistischen Interpretation, die gängigen philosophischen und religiösen Vorstellungen zuwiderläuft, wurde der Neurobiologe in den Think Tank des Papstes berufen. Der Frankfurter Professor gehört der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften an. 6 FREIDENKER 6/03 Filmtipp Am Filmfestival in Cannes: Afghanistan ohne Schleier Mit ihrem neuen Film "Um fünf Uhr nachmittags" (At five in the afternoon) hat die iranische Filmregisseurin Samira Makhmalbaf (23) schockierende und bewegende Szenen aus dem heutigen Afghanistan nach Cannes gebracht. Die Herrschaft der Taliban ist vorüber, aber das Leben im "befreiten" Land ist noch immer hart und manchmal hoffnungslos, besonders wenn man weiblich ist. Der Film zeigt Bilder aus dem Leben des Mädchens Noqreh zwischen Ungewissheit, Leiden, Unterdrückung und Hoffnung – gelegentlich kleinen Siegen. Unter dem Druck der Armut, mit ihrer Familie auf der Suche nach einer Behausung (die sie schliesslich finden – im Rumpf eines in der Wüste abgestürzten Flugzeu- Samira Makhmalbaf ges), ist sie mutig genug, für ihre Zukunft zu kämpfen und ehrgeizige Hoffnungen zu entwickeln. Sie schafft es, sich den Wünschen und Befehlen ihres Vaters widersetzend, zur Schule zugehen. Sie träumt davon, Afghanistans erster weiblicher Präsident zu werden, und beginnt, ihren Traum zu verteidigen. Das Leben bewegt sich in kleinen Schritten. Noqreh wandert durch die Strassen von Kabul, aufrührerisch ihre Burqa vom Gesicht streifend (und veranlasst einen alten Mann, sich hastig zur Wand zu drehen und um Vergebung zu beten). Die junge Regisseurin besteht zwischen vorsichtigem Optimismus und schmerzhaften Desillusionen darauf, gnadenlos realistisch zu sein. Viele Szenen basieren auf ihren eigenen Erfahrungen während ihres Aufenthaltes in Afghanistan. "Mit diesem Film versuche ich, die falsche Information über Afghanistan zu korrigieren, die von den Medien verbreitet wird", sagt sie. "Afghanistans Geschichte ist so traurig. Es ist nicht: 'Amerika griff ein und alles kam in Ordnung'. Ich habe versucht, Afghanistans Wirklichkeit zu zeigen, nicht meine Wünsche, wie Afghanistan sein könnte." Als Samira Makhmalbaf mit gerade 18 Jahren ihren Film "Der Apfel" in Cannes zeigte, war sie die jüngste Regisseurin, die je am renommiertesten Filmfestival der Welt teilnahm. In ihrem Regiedebüt erzählt sie vom traurigen Schicksal zweier halbwüchsiger Mädchen, die mitten in Teheran von dem Vater in einem Gitterverhau gefangen gehalten werden. Es ist die authentische Geschichte einer barbarischen Tat, die nicht aus Bosheit, sondern aus Ignoranz und falsch verstandenenreligiösen Geboten entsteht. Einer resoluten Sozialarbeiterin gelingt es schließlich, den Mann zur Beendigung der Gefangenschaft zu bewegen. Auch in ihrem zweiten Film Schwarze Tafeln geht es um die mühsame Arbeit des Erklärens, Erziehens, Erleuchtens. Makhmalbaf widmet sich einem politischen Tabuthema und schickt eine Truppe kurdischer Lehrer durch die Gebirgsregionen an der iranisch-irakischen Grenze. Zwischen Flüchtlingskarawanen und den Bombardements der irakischen Luftwaffe müssen sich die Männer ihre Schüler selbst zusammensuchen, dienen die schwarzen Schiefertafeln mal als Trage für Verletzte, mal als Blickschutz eines frisch getrauten Paares – Bildung unter Extrembedingungen. "Ich selbst habe sehr jung die Schule verlassen, als ich gerade 15 Jahre alt war. Danach hatte ich keine weitere Schulausbildung", sagt Makhmalbaf, "vielleicht lasse ich daher immer wieder Lehrer und Lehrerinnen in meinen Filmen vorkommen." Ihr Beitrag zu dem Film 11:09:01, in dem sich elf Regieautoren aus der ganzen Welt mit dem Attentat des 11. September befassen, hat wieder eine Lehrerin zur Heldin. Mit unendlicher Geduld versucht die junge Frau, einer Hand voll afghanischer Flüchtlingskinder irgendwo in der iranischen Wüste zu erklären, was gerade in New York passiert ist. Für Makhmalbaf sind die Kinder die eigentlichen Opfer der neuen Kriege und geopolitischen Machtspiele und die Lehrer die einsamen Helden einer im Obskurantismus versinkenden Welt. "Irgendein westlicher Schlaukopf hat einmal gesagt, das Problem der modernen Welt sei nicht die Unwissenheit, sondern zu viel Wissen. Aber da, wo ich herkomme, ist die mangelnde Bildung das umfassende Problem. Vielleicht finden Sie meinen Humanismus altmodisch, aber Bildung ist die einzige Utopie, an die ich glauben und für die ich in meinen Filmen eintreten kann." in den Sektionen Basel - Union Jeden letzten Freitag im Monat ab 19 Uhr: Freie Zusammenkunft im Restaurant "Storchen" Basel. Jeden 2. Dienstag im Monat: Vorstandssitzung um 19 Uhr Basel -Vereinigung Jeden letzten Donnerstag im Monat 15 bis ca. 17.30 Uhr: Donnerstag Hock Restaurant "Park", Flughafenstr. 31. Bei schönem Wetter im Gartenrestaurant. Bern Sonntag 1. Juni Ausflug nach Zollikofen mit Imbiss auf Reta Caspars "Alp". Nur bei trockener Witterung! Besammlung Wanderer: 10 Uhr auf der Schützenmatte, Bern. Imbiss ab 12 Uhr. Nichtwanderer melden sich unter 031 911 00 39 für die Wegbeschreibung. Sonntag, 29. Juni 11 Uhr Grillplausch im Garten des Freidenkerhauses. Apéro, Bratwürste, Salate, Getränke, Glacé, Kaffee, alles inkl. Fr. 18.-/Person. Anmeldung bis Donnerstag, 26.6. unter 031 372 56 03. Nur bei schönem Wetter! Schaffhausen Jeden 3. Donnerstag im Monat 20 Uhr Freie Zusammenkunft im Rest. "Falken", Schaffhausen Winterthur Mittwoch, 4. Juni 19.30 Uhr Diskussionsforum: Recht auf Leben - Recht auf Sterben. Unter Mitwirkung von Ludwig Minelli (Dignitas) im Hilfdi-Club, Technikumstrasse 90 Sonntag, 29. Juni 2002 10.00 Uhr Freidänker-Zmorge in der alten Mühle Rickenbach Anmeldung bis 26. Juni an Tel. 052 222 98 94 oder 052 337 22 66 Zürich Dienstag, 10. Juni 14.30 Uhr Freie Zusammenkunft Restaurant "Schweighof", Schweighofstr. 232 FREIDENKER 6/03 7 FVSFreidenker-Vereinigung der Schweiz Mitglied der Weltunion der Freidenker und der Internationalen Humanistischen und Ethischen Union Trauer Feiern Basel (Vereinigung) 061 401 35 19 oder 061 321 31 48 Basel (Union) 061 321 39 30 oder 061 601 03 23 Bern 034 402 45 27 oder 031 372 56 03 Grenchen 076 53 99 301 oder 032 645 38 54 Luzern und Innerschweiz 041 420 45 60 oder 041 440 76 36 Schaffhausen 052 337 22 66 St. Gallen 052 337 22 66 Vaud Waadt 026 660 46 78 ou 022 361 37 12 Winterthur und Thurgau 052 337 22 66 Zürich 01 463 16 55 Falls unter der regionalen Nummer niemand zu erreichen ist: Zentralsekretariat FVS 032 641 26 24 oder 052 337 22 66 Regional- und Orts- Gruppen Freidenker-Vereinigung Basel und Umgebung Postfach 302, 4012 Basel *auch Fax Präsidentin: Y. Andrek 061 401 35 19* Vizepräsidentin: B. Bisig 061 321 31 48* Kassier: R. 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Bollinger 052 685 13 62 FVS-Regionalgruppe St. Gallen St.Georgenstr. 218b, 9011 St.Gallen Präsident: E. Diem 071 222 47 54 Mitgliederdienst: S. Breitler 071 351 29 81 Associazione Svizzera dei Liberi Pensatori (ASLP) Sezione Ticino Casella postale 721, 6902 Paradiso Presidente: R. Spielhofer 091 994 21 45 Association vaudoise de la Libre Pensée Case postale 131, 1000 Lausanne 17 Président: J.P Ravay 022 361 94 00 Secrétariat: 026 660 46 78 Winterthurer Freidenker Postfach 1806, 8401 Winterthur Präsident: J.L. Caspar 052 337 22 66 Sekretariat: D. Dünki 052 222 98 94 FVS-Ortsgruppe Zürich Postfach 7210, 8023 Zürich Präsident ad interim: H. Rutishauser Tel. und Fax 01 463 16 55 Mitgliederdienst: M. Dobler 01 341 38 57 FREIDENKER - BIBLIOTHEK Zürich, im Sozialarchiv Stadelhoferstr. 12 (Nähe Bellevue) Bücherausgabe: Mo. - Fr. 10–20 Uhr Sa. 10–13 und 14–16 Uhr Auskunft: 01 251 80 66 FVS Zentralsekretariat Zentralkasse Mitglieder melden ihre Adressänderungen bitte an die Sektionen. 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