Burkaverbot - um der Freiheit willen!

"Belgien könnte damit der erste europäische Staat werden, der die Vermummung aus religiösen Motiven im gesamten öffentlichen Raum unter Strafandrohung verbietet. Das Verbot gilt für jede Art von vollständiger oder teilweiser Vermummung, welche eine Identifizierung des Trägers oder der Trägerin verunmöglicht. Verstösse werden per Strafgesetz mit Bussen zwischen 15 und 25 Euro oder mit Gefängnisstrafen von einem bis sieben Tagen Dauer geahndet. " NZZ 31.3.2010

Französische Verwaltungsrichter warnen vor einem zu restriktiven Gesetz "Nach Ansicht des Conseil d'Etat lässt sich nämlich ein Totalverbot des Gewandes mit der heutigen Rechtspraxis kaum vereinbaren. In dem von der Regierung Fillon in Auftrag gegebenen Gutachten stellen die Verwaltungsrichter aber fest, dass ein punktuelles Verbot aus Sicherheitsüberlegungen oder aus Gründen der Identitätssicherung vertretbar sei", (...) z.B. dort, wo eine klare Identifikation der Person angestrebt wird, etwa auf Amtsstellen, bei der Polizei, in Wahllokalen oder beim Abholen von Kindern in Schulen. Ernsthaft erwogen wird ein Verbot auch für Orte, wo Sicherheitsaspekte überwiegen, etwa bei Banken, Juweliergeschäften, Flughäfen oder Untergrundbahnen."  NZZ 31.3.2010

Kanada plant Burkaverbot: http://www.tagesanzeiger.ch/ausland/amerika/Das-multikulturelle-Kanada-verlangt-dass-sich-die-Immigranten-anpassen/story/10954377

Kommentar von Reta Caspar

Das öffentliche Interesse an Identitätssicherung wird von den Juristen offenbar anerkannt. Dass daraus Sicherheit entsteht, ist allerdings zu kurz gedacht. Auch unter einer priesterlichen Soutane kann sich Ungeheuerliches verbergen...

Immer wieder ist festzustellen, dass in der Diskussion der Freiheitsrechte die Religionsfreiheit zum höchsten Freiheitsrecht erhoben wird. Tatsache ist, dass die Religionsfreiheit in der Geburtsstunde der Schweiz und auch anderswo in Europa als historisch aktueller Sonderfall der Meinungsäusserungsfreiheit explizit in den Katalog der Freiheitsrechte aufgenommen worden ist aus der Erfahrung, dass es nicht gut kommt, wenn der Staat den BürgerInnen vorschreibt, was sie zu glauben haben und was nicht.

Daran kann festgehalten werden. Der Staat darf den BürgerInnen nicht vorschreiben, was sie zu glauben haben. Er muss aber Grenzen setzen dort, wo dieser Glaube die Öffentlichkeit tangiert und die Freiheit der Glaubensunterworfenen in nicht tolerierbarer Weise beeinträchtigt. Der gleiche Staat hat nämlich auch die Pflicht, die anderen Freiheitsrechte seiner BürgerInnen zu schützen: das Recht auf freie Entfaltung, auf Bildung, auf Gleichberechtigung von Mann und Frau... In der Schweiz hat das Bundesgericht Ende 2008 im Schaffhauser Schwimmunterrichtsfall erstmals entschieden, das das Recht auf Integration des Kindes der Religionsfreiheit (der Eltern) vorangeht. Das ist ein Meilenstein: der Staat muss den Mut haben, für die höhere Summe der Freiheit einzustehen und darf die Freiheit auf Selbstbeschränkung (oder das Erziehungsrecht der Eltern) im Namen der Religion nicht schützen - um der Freiheit willen! Das Recht tut das auch anderswo: Es schützt die BürgerInnen im Privatrecht vor "Knebelungsverträgen", im Strafrecht z.B. vor der Einwilligung in die Verstümmelung etc. - alles um der Freiheit willen!

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