Abschied für geschlechtsdiverse Menschen
Um verstorbene Menschen angemessen würdigen zu können, halten wir ihre Geschlechtlichkeit so in Erinnerung, wie sie sich selbst gesehen haben. Dies ist vor allem wichtig bei geschlechtsdiversen Menschen, da bei ihnen dieser Aspekt ihrer Identität für ihr Leben wahrscheinlich sehr prägend war.
Die Freidenker-Vereinigung bietet auch dieses Jahr eine umfassende Ausbildung für humanistische Ritualbegleitende an. In fünf Modulen vermitteln unsere Dozierenden alles, was relevant ist, um Menschen in wichtigen Momenten kompetent anbieten zu können. Denn weltlich-humanistische Rituale begleiten wichtige Stationen im Leben durch eine persönliche Feier, die ganz nach den Wünschen und Bedürfnissen der Betroffenen gestaltet wird. Wir befassen uns mit aktuellen Fragestellungen und gehen auf die individuellen Bedürfnisse von Ritualsuchenden ein.
Im Rahmen unserer Ausbildung für humanistische Ritualbegleitende gibt so auch Evianne Hübscher in ihrem Vortrag am 11. März einen Überblick über das ganze LGBTQIA+ Spektrum, geht aber vor allem auf trans und non-binäre Personen ein. Wenn wir über sie sprechen, können wir geschlechtliche Bezüge nicht umgehen und haben die Chance, diesen Menschen mit etwas Achtsamkeit die Wertschätzung zu geben, um die sie oft in ihrem Leben kämpfen mussten.
Christian D. Grichting im Gespräch mit Evianne Hübscher zur kontroversen Diskussion um Geschlechtervielfalt und Menschenwürde. Er bietet seit 2004 auch für die FVS hauptberuflich schweizweit konfessionslose und religionsneutrale Abdankungen und Trauerfeiern an.
Christian D. Grichting: Evianne, du beschreibst dich auf einer deiner Websites als ein introvertierter non-binärer trans Mensch. Wer mit dem Vokabular der Geschlechtervielfalt nicht so vertraut ist, wird wahrscheinlich nicht genau wissen, was darunter zu verstehen ist. Wie beschreibst du non-binärer trans Mensch einem Laien?
Evianne Hübscher: Weil ich introvertiert bin, versuche ich zu vermeiden, dass ich mit Menschen reden muss. Deshalb hab ich eine ganze Website zum Thema gemacht: nonbinary.ch. Aber für dich: Das Adjektiv «trans» bedeutet, dass ich mich nicht mit dem Geschlecht identifiziere, welches mir bei Geburt zugewiesen wurde (das Gegenteil von «trans» ist: cis). Als eine non-binäre Person sehe ich mich aber auch nicht als Frau oder Mann – sondern eben als non-binär. Dies ist ein Oberbegriff für ganz viele Geschlechter … aber eben deshalb hab ich eine ganze Website dazu gemacht.
Grichting: In Diskussionen hört man immer wieder Argumente gegen geschlechtergerechte Formen und was die Gleichberechtigung betrifft, doch inzwischen alles in Ordnung ist. Wo liegt die sprachliche "Schwierigkeit" und wieviel "Luft nach oben" hat die Gleichberechtigung noch?
Hübscher: Tatsache ist, dass die offizielle deutsche Sprache bis jetzt das Geschlecht von Personen nur mit weiblichen und männlichen Formen ausdrücken kann. Wir können also sprachlich nicht auf non-binäre Personen Bezug nehmen, wenn wir nicht gelernt haben wie das geht. In diesem Workshop geht es darum, Trauerredner:innen beizubringen einer verstorbenen non-binären Person sprachlich Respekt entgegenzubringen und sie möglichst so darzustellen, wie sie sich selber gesehen hat.
Grichting: In China gibt es in puncto Gleichberechtigung sehr viel zu tun, nicht aber in der Sprache. Den Unterschied zwischen Lehrer oder Lehrerin gibt es nicht. Im Chinesischen kann man nicht erkennen, ob es ein Mann oder eine Frau ist. Ist hierzulande der starke Fokus auf eine geschlechtergerechte Sprache, die viele überfordert, nicht kontraproduktiv?
Hübscher: Das Deutsche ist sehr durchwachsen von binärem Geschlecht – wie auch unsere Gesellschaft generell. Deshalb sehen viele Menschen in der Schweiz Zweigeschlechtlichkeit als so «natürlich» an. Nun gibt es aber ganz viele Gesellschaften auf der Welt, die mehr als zwei Geschlechter kennen (siehe diese Karte). Eine solche Weltoffenheit möchte ich den Trauerredner:innen vermitteln, dass sie sich nicht hinter einer Überforderung verstecken müssen, sondern einem solch intimen Moment wirklich gerecht werden können.
Grichting: Worauf dürfen wir uns bei deinem Vortrag mit anschliessender Diskussionsrunde am Samstag, 11. März freuen?
Hübscher: Oben und im Ausschreibungstext steht schon sehr viel denke ich. Ergänzen möchte ich noch, dass es auch bei Abdankungen von trans Frauen und Männern wichtig ist, sie als die Frauen und Männer in Erinnerung zu behalten als die sie gelebt haben. Auch gleichgeschlechtliche Beziehungen, Asexualität, Intergeschlechtlichkeit etc. können wichtige Aspekte von Lebenswegen sein.
Grichting: Vielen Dank Evianne für deine Offenheit und dein Engagement. Ich freue mich auf deinen Vortrag und erhoffe mir einiges an Klarheit.
Hübscher: Ich danke dir für die Einladung. Vor allem auf die Diskussion bin ich gespannt – trotz Introvertiertheit.
Der Vortrag von Evianne Hübscher bildet den Abschluss der Ausbildung «Humanistische Ritualbegleitung» und steht allen Mitgliedern und Menschen, die sich für unsere humanistischen Rituale interessieren offen. Weitere Infos zum Angebot und der Ausbildung unter www.humanistische-rituale.ch
Infos zum Event «Vortrag: Abschied für geschlechtsdiverse Menschen»
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