TV-Tipp ORF Dok: Die letzten Zöglinge

ORF 2 23.05 ,  davor 22:00 Polittalk: Flucht aus der Kirche - wie der Missbrauchsskandal die Gläubigen vertreibt.

Die Schlagzeilen reissen nicht ab: In Deutschland wie jüngst auch wieder in Österreich kommen Fälle von sexuellem Missbrauch in Internaten hoch. Der Dokumentarfilm schildert das Internatsleben aus dem Blickwinkel von (ehemaligen) Insassen und begleitet seine Protagonisten in ausführlichen Interviews zurück in die Welt ihrer Kindheit.

Prägende Jugenderfahrung

Michael Köhlmeier war es, Reinhold Bilgeri auch. Josef Hader kann davon ein Lied singen, ebenso Josef Haslinger. Und André Heller erst recht. Die Genannten verbindet eine gemeinsame Lebenserinnerung: Sie alle waren "Zöglinge" - so der antiquiert klingende Ausdruck - in katholischen Internaten. Eine Jugenderfahrung, die prägt, und der die Dokumentarfilmer Peter Oberndorfer und Christoph Mayr in "Die letzten Zöglinge" ein unnachahmliches Beispiel gesetzt haben.

Panorama der katholischen Bildungsform

Es sind Erfahrungen aus einer längst vergangenen Zeit. Denn Klosterinternate gibt es heute kaum mehr: Der leichtere Bildungszugang, geänderte Erziehungs-methoden und vor allem das dichte Verkehrsnetz des Landes haben viele der traditionsreichen Institutionen obsolet werden lassen.

In Gesprächen mit mehr oder weniger prominenten Ex-Zöglingen, Erziehern und Geistlichen von damals sowie mit Pater Tassilo und Schüler Luciano aus dem heute noch bestehenden Internat von Kremsmünster fangen die Filmemacher ein Panorama jener "katholischen" Bildungsform ein.

Prägung für den späteren Lebensweg

Die Protagonisten rufen den Alltag in ihren Erzählungen in Erinnerung: "Am Morgen aufwachen und sich schuldig fühlen. Und nicht wissen warum." So ein Resümee Michael Köhlmeiers. Josef Hader fällt "sozialer Dauerstress" ein. "Grossteils sind auf der Welt Herrschaften an der Macht, die wahrscheinlich durch so eine Erziehung gegangen sind", lautet eine der Schlussfolgerungen von André Heller.

Dabei wird deutlich, dass Internate in erstaunlichem Ausmass Menschen hervorbrachten, die sich später in der Gesellschaft in irgendeiner Weise hervortaten. Gleichzeitig ist eindeutig auch von Leid und Missbrauch die Rede. Die Erzählungen der Protagonisten liegen zwischen Verklärung und Abrechnung, Verdrängung und Nostalgie. Einigkeit herrscht nur darüber, dass ein Aufwachsen im Internat bestimmend für den späteren Lebensweg ist.

http://tv.orf.at/program/orf2/20100321/470128401/287403

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