Gipfelkreuz auf dem Bristen – zum Zweiten
Der in Altdorf wohnhafte Architekt Werner Furger will auf dem 3072 Meter hohen Bristenstock ein Gipfelkreuz erstellen. Er hat deshalb bei der Gemeinde Gurtnellen ein Bauvorhaben eingegeben. Rund 3,45 Meter hoch und 1,55 Meter breit soll das Kreuz gemäss gestriger Bauplanauflage im Amtsblatt werden und direkt neben dem heutigen Gipfel-«Steimanndli» zu stehen kommen, wo jetzt offenbar schon ein 1 m hohes Steinkreuz steht.
Die Idee, auf dem Bristen ein Gipfelkreuz zu erstellen, ist nicht neu. 2006 stellte die IG Uri Gotthard hoch hinaus ihre Pläne für ein Kreuz aus reflektierendem Stahl vor. Mit einer Höhe von 9 Metern und 4 Metern Breite wäre es ein markantes und weithin sichtbares Monument geworden. Das Projekt scheiterte aber damals am Widerstand der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz.
Gemäss Urner Wochenblatt hat es auf dem Berg bereits ein 1m hohes Steinkreuz. Das aktuelle Projekt sei bereits von der Natur- und Heimatschutzkommission abgesegnet, und auch die Korporation Uri habe die Bewilligung in Aussicht gestellt. «Bis jetzt ist der Gipfel nur mit einem 1 Meter hohen Steinkreuz versehen», wird Gesuchsteller Werner Fuger zitiert. Das wolle er nun ändern. Kostenpunkt: bis zu 9000 Franken. Doch das ist es dem Inhaber eines Architekturbüros wert. «Dem schönsten Urner Berg gebührt ein Gipfelkreuz!» «Wenn alles nach Plan läuft, steht Ende August ein Gipfelkreuz auf dem Bristenstock», so Werner Furger. http://www.urnerwochenblatt.ch/start.asp?level=2
Gemäss NZZ am Sonntag vom 3. Juni 2012 wird die Stiftung Landschaftschutz Schweiz eine Einspräche prüfen.
Vorgeschichte
2008STIFTUNG LANDSCHAFTSSCHUTZ SCHWEIZ (SL)verhindert die Erstellung eines 9 m hohen Gipfelkreuzes auf dem Bristen (3072 m.ü.M.). “Der markante Berg ist weitherum sehr gut sichtbar und liegt in einem national geschützten BLN-Objekt. Nach der Ablehnung der SL-Einsprache durch die Baukommission Urner Oberland reichte die SL im November 2006 beim Regierungsrat Verwaltungsbeschwerde ein. Diese wurde nun vollumfänglich gutgeheissen: Das Interesse der Bauherrschaft, ein Gipfelkreuz als Sinnbild und Wahrzeichen zu errichten, vermöge keine gleich- oder höherwertigen Interessen zu begründen. Sowohl die kantonale Fachstelle als auch die kantonale und eidgenössische Natur- und Heimatschutzkommission (NHSK und ENHK) hatten eine negative Stellungnahme zum Bauvorhaben abgegeben und sich für ein kleineres, aus traditionellen Materialien wie Stein oder Holz erbautes Gipfelkreuz eingesetzt.” PDF
Raumplanungsgesetz steht dagegen
Das Raumplanungsgesetz stellt für Bauten ausserhalb der Bauzonen hohe Hürden auf: grundsätzlich ist es verboten, aber es können Bauten im Ausnahmefall bewilligt werden:
Art. 24 RPG: Ausnahmen für Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzonen Abweichend von Artikel 22 Absatz 2 Buchstabe a können Bewilligungen erteilt werden, Bauten und Anlagen zu errichten oder ihren Zweck zu ändern, wenn: a. der Zweck der Bauten und Anlagen einen Standort ausserhalb der Bauzonen erfordert; und b. keine überwiegenden Interessen entgegenstehen.
Eine Baute muss also standortgebunden sein, das heisst: Es muss aus objektiven Gründen nicht an einem anderen Standort realisiert werden können. Beispiele sind etwa: Gastwirtschaft, Bergrestaurant, SAC-Hütte, Trafostation, Natelantenne, standortgebundene Wohnansprüche (z.B. Wohnung für den Betrieb einer ebenfalls standortgebundenen Anlage), technische Anlagen wie Lawinenverbauungen, Anlagen der Wasserkraft, Sende- und Empfangsanlagen, Anlagen für den Tourismus wie Beschneiungsanlagen und Skilift, Strassen und Wege, Anlagen am Wasser sowie für Sport und Freizeit für die Fischerei, Bade- und Wassersport, Bootsanbindeplätze, Bojen, Surfplätze, Hornusseranlagen, Geräteräume für Ornithologie und Hundehaltung, Schiessanlagen, Abbau- und Deponieplätze, Zwischendeponieplätze, Sortierplätze für Bauabfälle, Terrainauffüllungen.
Standortgebunden ist ein Vorhaben immer dann, wenn es aus objektiven Gründen an einen bestimmten Ort ausserhalb der Bauzonen gebunden ist und nur dort realisiert werden kann. Grundsätzlich ist folgendes zu beachten: - Subjektive Gründe, also Gründe, die mit der gesuchstellenden Person verbunden sind, sind für den Bewilligungsentscheid nicht massgebend. - Rein finanzielle Gründe rechtfertigen keine Bewilligung als standortgebundenes Vorhaben. - Für das Vorhaben muss eine zwingende Notwendigkeit bestehen. Dass es wünschbar ist, rechtfertigt keine Bewilligung.
Gipfelkreuze sind nicht standortgebunden
Zwar scheint ihr Name das zu implizieren: Ein Gipfelkreuz ist nur auf einem Gipfel ein solches. Aber faktisch ist ein Kreuz im Gebirge nicht notwendig – im Gegensatz etwa vielleicht zu einem Wegweiser. Dass man auf dem Gipfel angekommen ist, ist in der Regel evident oder wird seit alters her mit Steinmandlis aus den dort vorhandenen Steinen bestätigt. Eine Notwendigkeit für ein Gipfelkreuz gibt es deshalb generell nicht. Gipfelkreuze sind rein subjektiv gewünscht. Aus der Berichterstattung über den Initianten geht deutlich hervor, dass es subjektie Gründe sind, dass er das einfach so will, weil ihm das bereits bestehende 1m hohe Kreuz nicht gross genug ist.
Öffentliches Interesse steht dagegen
Falls die Standorgebundenheit bejaht würde, müssten in einem zweiten Schritt die dem Vorhaben entgegenstehenden Interessen abgewogen werden. Bereits 2008 hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass die Interessen des Landschaftssschutzes dem damaligen, allerdings viel auffälligeren Projekt entgegenstünden. Mit der Redimensionierung wird nun offensichtlich versucht, hier die Schmerzgrenze zu unterschreiten.
Kulte in Kultusbauten!
Neben dem Landschaftsschutz sind unseres Erachtens aber auch andere öffentliche Interessen abzuwägen: religiöse Bauten im öffentlichen Raum sollten auf eigentliche Kultplätze beschränkt werden. Eine in der freien Landschaft ostentativ und/oder mit festen Bauten ausgeübte private religiöse Überzeugung verträgt sich nicht mit der tatsächlich gelebten Realität in der heutigen Gesellschaft, in der sich eine Mehrheit von 64 Prozent von den religiösen Institutionen distanzieren.
Die Urner Verfassung von 1984 beginnt mit einer Präambel: "Im Namen Gottes! Das Volk von Uri, das sich in seiner grossen Mehrheit zum christlichen Glauben bekennt". Aber auch im Kanton Uri verliert die katholische Kirche kontinuierlich Mitglieder: http://www.frei-denken.ch/de/2012/05/kt-ur-dienstleistung-statt-gemeinnutzigkeit/ Aus der Präambel darf deshalb keinesfalls ein öffentliches Interesse an Gipfelkreuzen abgeleitet werden, vielmehr muss das öffentliche Interesse darin gesehen werden, dass die einzelnen Religionsgemeinschaften ihr Recht auf Ausübung ihres Kultus so gestalten, dass andere Gemeinschaften oder Bevölkerungsgruppen damit nicht über Gebühr belastet werden. Ein Kreuz einen Berggipfel wird allgemein als religiöses Zeichen wahrgenommen und repräsentiert die Dominanz einer Religionsgruppe in einem bestimmten Territorium. Solches Dominanzverhalten ist dem öffentlichen Frieden nicht zuträglich und sollte deshalb nicht gefördert werden.
Letztes Aufbäumen einer schwindenden Mehrheit? Die vielfältigen Vorstösse vor allem katholischer Kreise in der Schweiz lassen vermuten, dass hier gezielt versucht wird, Fakten zu schaffen und – gegen den säkularen Trend des Lebensalltags der Bevölkerung – die eigene Tradition in Bauten und im Recht massiv zu verankern, während gleichzeitig im Verbund mit den Evangelikalen alles unternommen wird, um Kultusbauten anderer Religionsgruppen zu verhindern. Unterstützt werden diese religiösen Traditionalisten durch die Passivität der Mehrheit der religiös Distanzierten, die sich mit diesen Fragen schon gar nicht mehr beschäftigen mag.
Situation in den Kantonen
http://www.frei-denken.ch/de/2009/10/kreuze-baubewilligungsverfahren/