Brigitte Woggon

Psychiaterin. Mehr...

"Ich habe mehrere Nonnen in Behandlung. Eine von ihnen habe ich besonders gern, weil sie so tapfer gegen ihr grosses Leiden ankämpft. Das ist meine Lieblingsnonne. Und dann sagte sie, sie habe wieder für mich gebetet. Dabei bin ich ja Atheist, und das weiss sie auch. Und da rutscht mir raus, spontan wie ich bin: Sag! Die Konkurrenz war aber schon da. Was?, sagt sie, die Konkurrenz? Ich sag: Ja, eben war ein türkischer Patient, ein Muslim, da, der hat auch für mich gebetet. Und dann haben wir beide gelacht."

"Vor allem in meinen Anfangsjahren habe ich den Fehler gemacht, dass ich alles geglaubt habe, was mir meine Lehrer beigebracht haben, statt selber zu denken. Die Bereitschaft, alles zu glauben, was ein anderer irgendwann einmal gesagt oder geschrieben hat, halte ich ­generell für das gravierendste Problem in der Psychiatrie. Die Folge? Viele Patienten laufen jahrzehntelang mit der falschen Diagnose herum und werden dann falsch behandelt. Eines der Bücher, das ich schreiben werde, wenn ich pensioniert bin, wird denn auch den Titel tragen: «Schicksal Fehldiagnose». Um meine Patienten davor zu bewahren, überprüfe ich bei jedem, der neu zu mir kommt, zuerst seine Diagnose, auch wenn der Papst persönlich sie gestellt hat."

Quelle: Weltwoche Ausgabe 45/07

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