Wider-die-Gottlosenbewegung.pdf

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(file: @@Wider-die-Gottlosenbewegung.pdf@@)Der Mariasteiner Gebets-Kreuzzug wider die «Gottlosenbewegung» Lukas Schenker OSB Im September 1933 machten die Wallfahrtspatres von Mariastein mit einem Handzettel, – heute würde man sagen: mit einem Flyer, – erstmals auf den «Gebets-Kreuzzug zu Unserer Lieben Frau im Stein» aufmerksam: «Am 1. Mittwoch eines jeden Monates findet eine Wallfahrt nach Mariastein statt, die gegen die Gottlosenbewegung in der Schweiz gehalten wird.» Das Programm sah vor: Nachmittags drei Uhr Predigt, Aussetzung, Sühneandacht und Segen. Auch sei Gelegenheit zum Sakramentensempfang; gemeint war natürlich Beichtgelegenheit. Auch fehlte nicht der Hinweis, dass auf Verlangen hin ein verbilligtes, sog. Sonntags-Billet von der Birsigtalbahn ausgegeben werde, das bereits am Morgen für alle Züge gültig sei. Und dann der Hinweis: «Erstmalige Wallfahrt am 4. Oktober 1933.»1 Bereits in der Oktober-Nummer der «Glocken von Mariastein»2 steht ein kleiner Bericht mit dem Titel «Der erste Gebets-Kreuzzug nach Mariastein»: «Die Gottlosenbewegung sucht immer weitere Kreise zu erfassen...Alle Klassen und Stände sind bald unterwühlt und verseucht vom Gift des modernen Unglaubens. Da tut energische Abwehr bitter Not.» Es geschehe zwar vieles, doch trete der erwünschte Erfolg nur dann ein, wenn wir durch das Gebet um Gottes Segen dafür bitten. «Aus diesem Bewusstsein heraus hat sich auf Anregung von der Laienwelt der erste Gebets-Kreuzzug nach Mariastein gebildet. In grosser Zahl scharten sich die Gläubigen von Baselstadt und –Land, auch etwas Solothurner, vorab aus 1 2 Handzettel im Klosterarchiv Mariastein: Wallfahrt: 1. Mittwoch. Die Glocken von Mariastein 11, 1933/34, Nr. 4, S. 53f. 67 der Gemeinde Rodersdorf, zusammen zur gemeinsamen Wallfahrt am ersten Mittwoch des Monats Oktober.» Es sollen über 600 Teilnehmer gewesen sein. P. Superior Willibald Beerli (1885–1955)3 hielt dabei das passende, packende Kanzelwort. Nachher betete das Volk vor dem ausgesetzten Allerheiligsten den Rosenkranz; die anwesende «Priesterschaft» betete den Busspsalm «Miserere». Mit dem Segen und einem Marienlied schloss die Feier. Vom zweiten Gebetskreuzzug vom 8. November 1933 wird in der November-Nummer der «Glocken» nur kurz berichtet, dass «wohl über 1000 Pilger aus dem Leimen- und Laufental, aus dem Birseck und dem Sundgau...zu einem einmütigen Gebetssturm zusammengeströmt» seien.4 Die Predigt von P. Pius Ankli (1883–1962) brachte «eine gründliche Aufklärung über die Ziele der Gottlosenbewegung, wie auch über die Gründe der Gottesleugnung.» Der kurze Bericht endet mit dem Hinweis, der natürlich auch seine propagandistische Wirkung haben sollte: «Die Birsigtalbahn wird künftighin an diesem Tag [d. h. jeweils am 1. Mittwoch des Monats] besonders ermässigte Pilgerbillete herausgeben.» Im Anschluss an diesen Bericht wird ein «Antwortschreiben des Bischofs von Basel betreffs einer kathol. Aktion gegen die Gottlosenbewegung» abgedruckt, das der Basler Bischof Josephus Ambühl (Bischof von Basel und Lugano 1925–1936) an P. Superior Willibald am 4. November 1933 gerichtet hatte. Der Bischof gibt darin seiner Freude Ausdruck über diese «schlichte Gebetsfeier», die P. Willibald «in Verbindung und nach Ratschlag mit geachteten Priestern und Laien jeweilen am ersten Mittwoch eines Monats» veranstaltet, und erteilt dazu seinen bischöflichen Segen. Daran schliesst sich ein kurzes «Schreiben des General-Vikars Vuillard im Namen des Bischofs von Strassburg, datiert vom 18. Oktober 1933. Darin dankt er für das Schreiben, womit P. Superior am 10. Oktober dem Strassburger Bischof von der «ergreifenden Wallfahrt» berichtet hatte, und übermittelt allen Pilgern den Segen seines Bischofs.5 3 4 5 Ueber diesen grossen Förderer der Mariasteiner Wallfahrt siehe die Beiträge: + P. Willibald zum Gedenken, in: Mariastein 1 (1954/55), 185–194. Die Glocken von Mariastein 11, 1933/34, Nr. 5, 74. Beide Schreiben ebd. 74f. 68 In den folgenden Heften der «Glocken» werden dann Monat für Monat Kurzberichte über den Gebetskreuzzug veröffentlich und so immer wieder auf diesen Wallfahrtsanlass in Mariastein aufmerksam gemacht. Auch die katholische Tagespresse wurde von Mariastein aus bedient, damit sie auf diesen Anlass aufmerksam mache. Ebenso wurden die Pfarrer der näheren und weiteren Umgebung monatlich mit einer vorgedruckten Karte gebeten, dass sie in den Verkündungen im Gottesdienst auf den Gebets-Kreuzzug aufmerksam machen mögen.6 So pflanzte sich allmählich, aber stetig dieser «1. Mittwoch in Mariastein» ins Bewusstsein des gläubigen Volkes der Region ein. Der zeitgeschichtliche Hintergrund Was stand aber hinter diesem plötzlich aufgebrochenen Anliegen eines Gebetskreuzzuges gegen die so genannte Gottlosenbewegung, der nun Monat für Monat viele Gläubige nach Mariastein zog? Konkreter Anlass dazu war die Nachricht, dass sich im Jahre 1932 die Internationale Gottlosenzentrale, die bisher in Berlin ihren Sitz gehabt hatte, in Basel etabliert hätte. Im Jahre 1930 hatten sich verschiedene Organisationen zur kommunistischen «Internationale proletarischer Freidenker» zusammengeschlossen in bewusster Abgrenzung zu den bürgerlichen Freidenker-Vereinigungen, die teilweise auch das Anliegen der «Feuerbestattung» auf ihre Fahnen geschrieben hatten.7 Katholische Zeitgenossen sprachen von einer vom bolschewistischen Russland aus gesteuerten «Internationale» mit Sitz in Berlin. In der Schweiz hätte sich dieser Organisation auch der «Proletarische Freidenkerverband der Schweiz» mit Sitz in Zürich, später in Basel angeschlossen, dessen Publikationsorgan 1931 «Der Proletarische Gottlose» und ab 1932 «Der Proletarische Freidenker» 6 7 Beleg für den 1. März 1939 im Klosterarchiv Mariastein: Wallfahrt: 1. Mittwoch. Aus damaliger katholischer Sicht vgl. dazu: Gutzwiller, Richard, Zur Gottlosenbewegung, in: Volksvereins Annalen 7, 1932, S. 135–149; Stark, Karl, Die proletarischen Freidenker in der Schweiz, in: ebd. 8, 1933, S. 198–206; ders., Die sozialistisch-bürgerliche Freidenkerbewegung in der Schweiz, in: ebd. 8, 1933, S. 335–341; Pochon, Roger, Les sans-Dieu, in: Monatschrift (Schweizerischer Studentenverein) 78, 1933/34, S. 254–266, 305–310, 372–376. 69 hiess.8 Das Schlagwort «Gottlosentum» verwendeten katholische Zeitungen und Zeitschriften in dieser Zeit hauptsächlich gegen die Freidenker, weiteten den Begriff aber auch auf andere Feindbilder aus. Am 3. Mai 1932 wurden im Deutschen Reich durch eine Notverordnung der Regierung unter Reichspräsident Paul von Hindenburg (1847–1934) und Reichskanzler Heinrich Brüning (1885–1970) alle kommunistischen Verbände samt ihren Unterorganisationen verboten. Das betraf nun auch die Weltzentrale der «Internationale der proletarischen Freidenker» in Berlin, die aufgelöst werden musste. Zuerst war geplant, die Zentrale nach Moskau oder Stockholm zu verlegen. Doch zog man dann Basel vor, wo sich bereits die Zentralstelle der proletarischen Schweizer Freidenker befand.9 Kurz darauf wurde die Zentrale in Strassburg eingerichtet, doch im Juli 1934 nahm sie wieder in Basel ihren Sitz.10 Am 3. Mai 1932 (also am gleichen Datum wie die deutsche Notverordnung gegen die kommunistische «Gottlosen-Bewegung») unterzeichnete Papst Pius XI. (Papst: 1922–1939) seine Enzyklika Caritate Christi compulsi, die unter anderem auch gegen den Kommunismus und die so genannte Gottlosenbewegung gerichtet war.11 Im Anschluss an das päpstliche Rundschreiben nahmen die Schweizer Bischöfe das Thema «Abwehrkampf gegen die Gottlosenbewegung» gleich auch auf für ihre Ansprache «an die Gläubigen ihrer Diözesen auf den Eidgenössischen Bettag 1932» (18. September). Dieses pastorale Schreiben der Schweizer Bischöfe griff Edwin Frei im kommunistischen «Kämpfer» heftig an; er behauptete u.a. die Schweizer Bischöfe lechzten nach Blut und hetzten zum Krieg gegen die Sowjetunion auf. Dagegen leiteten Die Gottlosenbewegung in der Schweiz, ihre Abwehr und ihre Ueberwindung. Hrg. v. Apologetischen Institut des Schweizer. Kathol. Volksverein in Verbindung mit der Schweiz. Interkonfessionellen Kommission «Pro Deo». Luzern 1934, S. 25. – Art. Freidenker, v. Konrad Algermissen, in: Lexikon für Theologie und Kirche, 4. Bd., Freiburg 1932, Sp. 156–163. 9 Schweizerische Kirchen-Zeitung 100, 1933, Nr. 15 (13. April), S. 126. 10 Die Gottlosenbewegung. In der Schweiz,... (Anm. 8), S. 13. Vgl. auch Art. Freidenker v. Joachim Mehlhausen, in: Theologische Realenzyklopädie (TRE), Bd. 11, Berlin-New York 1983, S. 489–493. 11 Acta Apostolicae Sedis 24, 1932, S. 177–194. 8 70 die Bischöfe beim Bezirksgericht Zürich eine Klage wegen Ehrverletzung ein. Es kam dann zu einem Satisfaktionsvergleich.12 Die Nachricht von der Niederlassung der internationalen Zentrale der kommunistischen «Gottlosen- und Freidenkerbewegung» in Basel löste nicht nur im Schweizer Katholizismus Reaktionen aus. Auch der Schweizerische Evangelische Kirchenbund nahm auf seiner Jahrestagung in Winterthur einmütig eine Resolution an, in der Protest erhoben wurde gegen die Verlegung der internationalen «Gottlosenzentrale» nach Basel. Er forderte die Behörden auf, solchem Treiben entgegen zu treten.13 Die Angst vor möglichen bolschewistischen Umtrieben in der Schweiz oder gar einer kommunistischen Revolution, die durch die Infiltration und aktiven Machenschaften dieser internationalen kommunistischen Zentrale befürchtet wurden, veranlasste auch Schweizer Politiker, etwas dagegen zu unternehmen. So ganz unbegründet waren diese Interventionen von schweizerischer Politikern nicht. Denn im Januar, im April und im Juni 1932 hatten bereits in Zürich mehrere kommunistische Ausschreitungen stattgefunden, wobei jedes Mal die Polizei eingegriffen hatte.14 Am Parteitag der Schweizerischen Konservativen Volkspartei am 30. April 1933 in Luzern wies der Parteipräsident Nationalrat Eduard Guntli, St. Gallen, in seinem Begrüssungswort auch auf die Verlegung der «Gottlosenzentrale» nach Basel hin und sagte: «Ohne Verzug werden die zuständigen Parteiinstanzen der Angelegenheit nachgehen, um dieses russische Gewächs wieder aus unserem Erdreich zu vertilgen.»15 Im Basler Grossen Rat reichte der Liberale Gottlieb Hanhart eine Interpellation wegen der «Internationalen Gottlosenzentrale» in der Stadt ein. Der Liberale Polizeidirektor Dr. Carl Ludwig (1889–1967) beschwichtigte am 1. Juni 1933 den Interpellanten in seiner Antwort, fügte aber hinzu, er werde ein wachsames Auge haben und eine Störung des religiösen Friedens nicht dulden.16 Vgl. dazu Schweizerische Kirchen-Zeitung 100, 1933, Nr. 32 (10. August), S. 267f. Schweizerische Kirchen-Zeitung 100, 1933, Nr. 25 (22. Juni), S. 211. 14 So laut Jahrbuch der Eidgenössischen Räte 1933, S.217f. 15 Schweizerische Kirchen-Zeitung 100, 1933, Nr. 18 (4. Mai), S. 152. 16 Ebd. Nr. 25 (22. Juni), S. 211. Vgl. dazu auch: Ecclesiastica. Archiv für zeitgenössische Kirchengeschichte mit besonderer Berücksichtigung der Beziehungen zwischen Kirche und Staat (hrg. von der KIPA), 2. Serie, 13. Jg., 1933 (24. Juni), S. 253f. 12 13 71 Nationalrat Hans Müller, Grosshöchstetten, von der Bernischen Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei (BGB) reichte mit fünfzehn Mitunterzeichnern eine Motion ein und ersuchte den Bundesrat, «die zur Wahrung des kulturellen Ansehens unseres Landes und zum Schutze des religiösen Friedens nötigen Massnahmen zu treffen.»17 Im Nationalrat wurde diese Motion Müller am 22. Juni 1933 als Postulat mit 70 gegen 47 Stimmen angenommen. Man sprach auch schon von einer geplanten Volksinitiative.18 Die Frage einer Volksinitiative zur «Bekämpfung der organisierten Gottlosenbewegung in der Schweiz» hatte bereits eine Kommission mit Vertretern aller Konfessionen aus Politik und Rechtswissenschaft aufgenommen. An einer Sitzung am 6. Juni 1933 in Bern wurde jedoch einstimmig beschlossen, zuerst einmal «die Weiterbehandlung des Postulates Müller durch den Bundesrat abzuwarten und dann je nach dem Ergebnis zur Frage der Initiative endgültig Stellung zu nehmen.» Sie beschloss ferner, eine Arbeitsgemeinschaft aus allen Konfessionen zu bilden, «um wirksam den Kampf gegen die Gottlosenbewegung mit geistigen Waffen zu führen.»19 Zur Ergreifung dieser Initiative kam es dann allerdings nicht. Soviel zum zeitgeschichtlichen Hintergrund, auf dem der Gebets-Kreuzzug in Mariastein entstanden ist. Der geistesgeschichtliche Hintergrund Wer stand nun hinter der Initiative, diesen Gebetsanlass in der Wallfahrtskirche zu Mariastein durchzuführen, um mit geistigen Waffen die «Gottlosenbewegung» zu bekämpfen? Nach einer mündlichen Ueberlieferung in der Mariasteiner Klostergemeinschaft soll dahinter der Pfarrer der Heilig-Geist-Pfarrei Basel, Robert Mäder (1875–1945)20, stehen. Im Kurzbericht über den ersten Gebets-Kreuzzug in den «Glocken von Mariastein» wird gesagt, dass er auf eine «Anregung von der Laienwelt» zurückEbd. Nr. 25, (22. Juni), S. 211. Ebd. Nr. 26 (29. Juni), S. 218f. Vgl. dazu: Ecclesiastica (s. Anm. 16), 1933 (1. Juli), S. 262. 19 Ebd. Nr. 28 (13. Juli), S. 236. 20 Vgl. Ries, Markus, Pfarrer Robert Mäder: Ein Eiferer im Weinberg des Herrn. In: Licht und Schatten. 200 Jahre Römisch-Katholische Kirche Basel-Stadt. Basel 1997, S.43–50 (Lit.). 17 18 72 gehe.21 Im Antwortschreiben des Basler Bischofs Ambühl vom 4. November 1933 auf den Brief, worin P. Willibald Beerli dem Bischof von dem nun regelmässig stattfindenden Gebets-Kreuzzug in Mariastein Meldung machte, hiess es, dass er «in Verbindung und nach Ratschlag mit geachteten Priestern und Laien» zustande gekommen sei.22 In seinem vorausgehenden Brief an den Bischof, den er ihm am 31. Oktober 193323 zusandte, schreibt P. Willibald klar, dass er im letzten Frühling (1933), «als die Gottlosencentrale in Basel errichtet wurde, von Laien ersucht» wurde, etwas zu unternehmen. «Ich redete mit einigen Geistlichen, besonders auch mit Prälat Mäder, aus dessen Pfarrei die Anregung gemacht wurde, auch noch mit andern, wie Herrn Pfarrer Krummenacher24 in Birsfelden, Joos25 in Therwil u. Moll26 in Ettingen, auch redete ich in der Delegierten Versammlung der Jungfrauenkongregation in dieser Frage u. ich fand überall lebhaften Beifall.» Daraufhin habe er sich entschlossen, diese monatliche Nachmittagswallfahrt einzuführen. Den Nachmittag wählte er, «um die Leute nicht aus den Pfarreien zu locken an einem Werktag.» Er beschreibt dann dem Bischof den Verlauf der ersten Wallfahrt: Nach Predigt, Sühneandacht und feierlichem Segen, hätten alle Patres noch bis zum Abend im Beichtstuhl zu tun gehabt. «Es herrschte grosse Begeisterung unter den Pilgern u. mit Freuden erwarten sie den zweiten Wallfahrtstag, der wegen dem einfallenden Allerheiligenfest auf den 8. November verschoben werden muss. – Es war wirklich eine erhebende Feier u. man sah, wie eigentlich dieser Gebetskreuzzug, wie wir die Wallfahrt nannten, ein Bedürfnis des glaubenstreuen Volkes war.» Leider lässt sich nicht ausmachen, wer genauer diese Laien aus der Heilig-Geist-Pfarrei von Robert Mäder waren, welche die Anregung zum Mariasteiner Gebetskreuzzug machten. Das Anliegen und der etwas militant tönende Name «Gebetskreuzzug» passt aber gut ins Umfeld des von Pfarrer Mäder gegründeten PresseVgl. Anm. 2 (S. 53). Vgl. Anm. 4 (S. 74). 23 Bischöfliches Archiv Solothurn, A 1656, Mariastein (Kopie im Klosterarchiv Mariastein: Wallfahrt: 1. Mittwoch). 24 Johann Krummenacher, 1930–1937 Pfarrer in Birsfelden. 25 Emil Joos, 1930–1951 Pfarrer in Therwil. 26 Josef Moll, 1931–1977 Pfarrer in Ettingen. 21 22 73 Organs «Die Schildwache».27 Sie bringt am 31. Mai 1933 erstmals eine Erwähnung der Basler «Gottlosenzentrale» im Zusammenhang mit einem Kurzbericht über den Schweizerischen Katholischen Schultag in Einsiedeln. Dort wurde auch eine Protestresolution gefasst und zu einer geschlossenen Abwehrfront aufgerufen. Als Kommentar heisst es dazu: «Nicht nur geschlossene Abwehrfront ist hier Pflicht, sondern geschlossene Kampffront. Militante Gottlosigkeit ist in jedem geordneten Staatswesen verfassungswidriges Verbrechen und als solches rechtlos vor Gericht und Regierung.»28 In der folgenden Nummer wurde «Ein Ruf aus dem Volk» veröffentlicht unter dem Titel: «Weg mit der Gottlosenzentrale!», unterzeichnet von B. B.29 Dass nun in diesem Kreis um die «Schildwache» bereits eine Hoffnung auf Mariastein gesetzt wird, zeigt ein Gedicht, das in der Schildwache am 27. Mai 193330 – also mehr als vier Monate vor dem ersten Gebetskreuzzug – veröffentlicht wurde unter der Ueberschrift: Hie Gottlosenzentrale – hie Maria-Stein!», unterzeichnet von G. A. Es lautet: «Nun lass, o Gott, in froher Freude Aufjubeln mich zu hellem Sang, Dass laut es jede Glocke läute In alle Welt wie Osterklang: Der Heiland herrscht! Er heilt und siegt. Und Satans Macht zusammenfliegt. Wohl schlug die Hölle frech ihr Lager Zu Basel auf. Doch sie vergisst – Maria-Stein! Der Felsennager Auch hier am End den Tod sich frisst. Maria herrscht, Maria siegt, Der Drache tot am Boden liegt.» Vgl. dazu: Metzger, Franziska, Die «Schildwache». Eine integralistisch-rechtskatholische Zeitung 1912–1945. (Religion-Politik-Gesellschaft in der Schweiz, hrg. v. Urs Altermatt u. Francis Python, Bd. 27). Freiburg/Schweiz 2000. 28 Die Schildwache 1932/33, Nr. 33 (13. Mai), S. 263. 29 Ebd. Nr. 34 (20. Mai), S. 270. 30 Ebd. Nr. 35 (27. Mai), S. 278. 27 74 Zum geistigen Umfeld der «Schildwache» seien noch paar Sätze zitiert aus einer Einsendung vom 3. Juni 1933, gezeichnet von Dr. J. R., die unter dem Titel «Hier ist nur die Sprache flammenden Zornes am Platz!» erschien: «Es schmerzt mich bis in die tiefste Seele, dass man der freien Schweiz die Schmachfesseln der Gottlosenzentrale angelegt. Ein Zugriff der Regierungen wird von der ganzen Welt erwartet: Kommt er nicht? Ich hätte gerade gemeint, diese Gottesfeinde wären da an den Rechten geraten. Sie würden hinausgeworfen, dass es ein Musterbeispiel wäre!...Basel, wehre dich! Die gutgesinnte, vernünftige Welt wartet direkt darauf, diesen Sieg des Schweizer-Geistes zu erleben....Die Katholische Aktion der Schweiz muss der Herkules sein, der diesen Augiasstall ausmistet.»31 Veränderungen und Anpassungen bis heute Für P. Willibald Beerli, diesen eifrigen und unermüdlichen Förderer der Wallfahrt nach Mariastein, war es eine grosse Genugtuung und Freude, dass dieser monatlich durchgeführte «1. Mittwoch» so grossen Anklang fand. Darum plante er grossflächig weiter. Am 2. Juli 1934, nachdem der Gebetskreuzzug erst neun Mal durchgeführt worden waren, schrieb er wieder dem Basler Bischof Ambühl.32 Er erinnerte ihn daran, dass er der monatlichen Wallfahrt bereits früher seinen Segen erteilt habe, was ebenso der Bischof von Strassburg getan habe. Die Besucherzahl dieses monatlichen Pilgeranlasses sei wider Erwartung sehr gross. Ausser im Februar 1934, als das schlechte Wetter eisige Wege verursachte und darum nur etwa 500 Pilger kamen, seien es stets zwischen 1000 und 2000 Teilnehmer, im Monat Mai seien es sogar «weit über 2000» gewesen. Um dieses Werk noch mehr bekannt zu machen, sei er auf den Gedanken gekommen, die Propaganda für diesen 1. Mittwoch-Anlass auf alle Diözesen auszuweiten. Darum unterbreitete er dem Basler Bischof die Idee, «ob vielleicht die Hochw. Herren Bischöfe entweder im Bettagsmandat oder vielleicht besser im Fastenmandat diesen Gebetskreuzzug erwähnen u. 31 32 Ebd. Nr. 36 (3. Juni), S. 286. Bischöfliches Archiv Solothurn, A 1656, Mariastein (Kopie im Klosterarchiv Mariastein: Wallfahrt:1. Mittwoch). 75 ihn empfehlen würden.» Dann müssten allerdings neben dem 1. Mittwoch noch andere Termine, eventuell sogar auch Sonntage, für dieses Gebetsanliegen vorgesehen werden. Sollte P. Willibald für seinen Plan die Gutheissung der Bischöfe erlangen, würde er sich mit verschiedenen Pilgerführern für die weitere Organisation in Verbindung setzen. Das war hoch, zu hoch gegriffen. Darum ist es verständlich, dass der Bischof die Frage nicht vor die Bischofskonferenz brachte. An diesem monatlichen Gebetstag wurde immer auch eine Predigt gehalten. Das Thema konnte nur am Anfang eine Auseinandersetzung mit der kommunistischen «Gottlosenbewegung» sein. Ein Blick ins erste Mariasteiner Predigtbuch,33 das ungefähr Mitte 1934 angefangen wurde, führt Predigtthemen bis Ende 1949 zum «Ersten Mittwoch im Monat» auf. Hier sind jedoch die Predigten bereits ab Oktober 1933 (bis Juni 1934 von der Hand von P. Willibald) eingetragen. Von Dezember 1933 bis Januar 1935 wurde über Gott und seine Eigenschaften gepredigt. Dann wurde die Thematik vielfältiger. Liturgische Zeiten und Heiligenfeste, apologetische Themen, aktuelle Anlässe bildeten fortan die Thematik der Prediger. Es waren zumeist Benediktinerpatres, die in Mariastein die Wallfahrt betreuten, aber auch Mariasteiner Benediktiner, die in Altdorf am Kollegium Karl Borromäus oder anderswo wirkten. Es wurden aber auch fremde Prediger eingeladen, Pfarrer und Vikare aus der Nachbarschaft. Pfarrer Mäder predigte z. B. am 6. Mai 1936 zum Thema: «Als kathol. Kriegsvolk muss jeder Katholik etwas vom apokalyptischen Weibe [vgl. 12. Kap. der Geheimen Offenbarung] haben, er muss: 1. mit der Sonne bekleidet sein – heiligmachende Gnade; 2) den Mond zu Füssen haben – das Materielle-Vergängliche; 3) eine Krone von Sternen tragen – Glaube, Hoffnung & Liebe».34 Mit einigem Stolz wurde am 7. Januar 1942 der hundertste Gebetskreuzzug ins Predigtbuch eingetragen, wobei der Mariasteiner Abt Basilius Niederberger (Abt 1937–1971, gest. 1977) die Predigt hielt.35 Der Mariasteiner Gebetskreuzzug, der aus einer weltanschaulichen Auseinandersetzung mit dem kommunistisch geprägten Klosterarchiv Mariastein: Wallfahrt: Predigtbuch I: 1934–1949, S. 261–280. Ebd. S. 263: Der Eintrag ist nicht von Pfarrer Mäder selber, sondern fremder Hand (von P. Pius Ankli) geschrieben. 35 Ebd. S. 271. 33 34 76 «Gottlosentum» geboren worden war, machte nicht nur am Anfang einen guten Start. Er hielt sich all die Jahre hindurch bis heute. Wie schon bemerkt, blieb dabei die Thematik der Predigten nicht bei der Abwehr der Gottlosenpropaganda stecken, auch wenn in den folgenden Jahren das Thema hie und da wieder aufgegriffen wurde. Im allgemeinen ging es stets um die religiöse Unterweisung und Erbauung des christlichen Volkes und um die Aufmunterung zu christlichem Verhalten und Leben. Während den Jahren des Zweiten Weltkrieges, als die Grenzen geschlossen waren und deswegen aus dem nahen Elsass und aus Süddeutschland keine Pilger mehr nach Mariastein kommen konnten, klingt das Thema Krieg an, ohne jedoch Stellung zu irgendeiner Kriegsseite zu nehmen. Auch Predigtzyklen wurden konzipiert, so waren vom Januar 1944 bis Februar 1945 die Predigten marianischen Themen gewidmet, von April bis Dezember 1945 wurde über die Seligpreisungen gepredigt, vom Januar 1946 bis Dezember 1947 über die Gnade und die sieben Sakramente.36 Ab Januar 1957 wird häufig als Predigtthema die Gebetsmeinung des Papstes zu jedem Monat gewählt.37 Aus Anlass des 300. Gebetskreuzzuges am 3. September 1958, der zusammenfiel mit dem 25-jährigen Bestehen desselben, stand der Basler Diözesanbischof Franziskus von Streng (Bischof von Basel 1937–1967, gest. 1970) auf der Kanzel. Mit der nachkonziliaren Liturgieerneuerung, die eine neue Leseordnung für alle Tage anbot, griffen die Prediger nicht selten auf diese biblischen Texte für ihre Homilie zurück. Die Durchführung und liturgische Gestaltung des Anlasses wurden den sich bietenden Möglichkeiten und Gegebenheiten angepasst. So wurde schon bald bereits am Morgen nach dem Konventamt der Mönche, das um 10 Uhr gefeiert wurde, das Allerheiligste in der Monstranz ausgesetzt, um den sich bereits am Morgen einfindenden Pilgerinnen und Pilgern die Möglichkeit zur stillen Anbetung zu geben. Als aber erlaubt wurde, auch am Nachmittag die Eucharistie zu feiern, wurde diese Möglichkeit bereits ab Dezember 196938 auch für den Gebetskreuzzug genutzt, sodass Ebd. S. 274– 279. Aktuelles Predigtbuch II (1950–....), S. 315ff. 38 Klosterarchiv Mariastein: Wallfahrt: 1. Mittwoch: Brief vom 13. November 1969 an die Pfarrer der Umgebung von P. Augustin Grossheutschi. 36 37 77 sich folgender Ablauf ergab: 13.15 Uhr: Beichtgelegenheit, 14.30 Uhr: Eucharistiefeier mit Predigt, anschliessend gemeinsames Rosenkranzgebet. Diese Form hat sich bis heute gut bewährt. Aus Anlass des 500. Gebetskreuzzuges am 7. Mai 1975 wurde ein farbiges Andachtsbildchen mit dem Mariasteiner Gnadenbild den Teilnehmerinnen und Teilnehmern abgegeben, das auf der Rückseite bedruckt war mit dem Text: «Erster Mittwoch, Tag des Gebetes für die verfolgten Christen und die Einheit im Glauben. Zum 500. Mal am 7. Mai 1975.»39 Hier zeigt sich auch klar der Einfluss des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962–1965), welches das ganze kirchliche Leben unter den ökumenischen Aspekt stellte, und zudem hatte das Konzil angeregt, Dialog mit den Gottlosen/Atheisten zu suchen. Das machte sich auch auf die Intention des in Mariastein durchgeführten Gebetskreuzzuges bemerkbar. Der Zusammenbruch des politischen Kommunismus im Verlaufe des Jahres 1989 verringerte den Zulauf zum Anlass in Mariastein keineswegs. Im Gegenteil, jetzt galt es ja erst recht, für die vom Papst angeregte Neuevangelisierung Europas, die ganz klar auch den Osten betraf, zu beten. Und durfte man nicht auch das jahrelange Beten der Gläubigen gegen die Gottlosenbewegung in Mariastein als von Gott erhört verstehen, nachdem nun der gottlose Kommunismus zusammen gebrochen war? In der Rückschau ist es verwunderlich, dass sich eine solche, anfänglich klar «zweckgebundene» Wallfahrt bis heute unverbraucht halten konnte. Wieweit den Besucherinnen und Besuchern die anfängliche Thematik des geistigen Kampfes gegen die Gottlosigkeit über all die Jahre hindurch im Bewusstein war, ist eine andere Frage. Von der Altersstruktur her sind die Teilnehmenden weitgehend nicht mehr im Berufsleben Stehende. Es sind vor allem Frauen und Mütter, die sich diesen einen Mittwoch-Nachmittag im Monat frei halten, um nach Mariastein zu gehen. Nicht mehr berufstätige Männer finden sich jedoch auch immer ein. In den Schulferien bringen nicht selten Mütter und Grossmütter auch ihre Kinder und Enkel mit nach Mariastein. Die Wallfahrt, deren etwas kriegerisch tönender Namen vor kurzem aufgegeben wurde und die sich nun schlicht und einfach «Monatswallfahrt am ersten Mittwoch» nennt, hat bis heute nichts von ihrer Anziehungskraft verloren. 39 Beleg dazu ebd. 78